Die Musik Fréderic Chopins strahlt voll Brillanz nach außen und voll Intimität nach innen. Sie umfasst tänzerisch leichtfüßige Salonfreuden ebenso wie abgründige Monumentalwerke, ist eben noch sinnlich singend und expressiv, um im nächsten Moment mystische Abgründe aufzutun. Mit keinem Instrument hat sich Frédéric Chopin dabei intensiver auseinander gesetzt als mit dem Klavier.
Der polnische Komponist selbst hat das Tasteninstrument einmal als sein zweites Ich bezeichnet und wenn es einen Stückezyklus gibt, der diese musikalische Seelenverwandtschaft aufs Eindrücklichste widerspiegelt, dann sind es die 24 Préludes op.28, die eines der komplexesten, vielgestaltigsten und persönlichsten Werke Chopins darstellen. Nun hat sich der chinesische Pianist Yundi daran gemacht, dieses gewaltige Opus einzuspielen und präsentiert auf seinem jüngsten Album eine meisterhafte und dabei berührend persönliche Interpretation der berühmten Klangbilder.
Frédéric Chopin erarbeitete seine 24 Préludes zwischen 1836 und 1839 und schuf mit ihnen einen absoluten Höhepunkt seines kompositorischen Schaffens. Stilbildend für die Gattung des Prélude und in ihrer Vielseitigkeit, Dichte und Komplexität deutlich beeinflusst von dem Wohltemperierten Klavier von Johann Sebastian Bach, präsentieren die Stücke die Chopin’sche Klangwelt in ihrem ganzen Reichtum: Harmonisch erstaunlich weit gespannt und in ihrem musikalischen Inhalt mal von schlichter melodischer Schönheit, mal von rhythmischer Raffinesse und virtuoser Wendigkeit bestimmt, offenbaren die Préludes eine Vielzahl an unterschiedlichsten Stimmungen.
Mit seinen ebenso zarten wie leidenschaftlichen Miniaturen erschuf Chopin so einen ganz eigenen Kosmos, in dem eindrucksvoll die Extreme ausgelotet werden und musikalische Aphorismen von bestechender Eindringlichkeit erklingen. Und auch wenn Einzelstücke wie das Regentropfen-Prélude häufig für sich stehend aufgeführt werden, offenbaren die Préludes doch erst in der Gesamteinspielung ihre Tragweite und Tiefe.
Es kommt nicht von ungefähr, dass der chinesische Ausnahmepianist Yundi im Jahre 2000 als erster Gewinner des ersten Preises seit 15 Jahren ausgerechnet den Internationalen Chopin-Wettbewerb gewonnen hat; noch dazu war er mit damals 18 Jahren der jüngste Preisträger dieses Wettbewerbs. Lauscht man nun seiner Einspielung der 24 Préludes, so erlebt man einen Chopin-Interpreten erster Güte. Seine brillante Technik stellt er dabei stets in den Dienst an der Musik, die er verinnerlicht und feinsinnig in der Ausgestaltung in unterschiedlichsten Farben zum Klingen bringt. Dramatisch, kontrastreich und impulsiv stürmen die virtuosen Stücke daher, reizen fordernd und kraftvoll die Grenzen aus und fesseln mit der kompromisslosen Hingabe des ausdrucksstarken Interpreten. Gänzlich andere Stimmungsmomente entlockt der Künstler wiederum den düster-verhangenen Werken, die er als fragende und melancholisch-intime Bilder gestaltet, jedes für sich ein Kleinod. So zeugt Yundis Spielweise von einer anrührenden Demut vor dem Werk Chopins und besticht sie mit einer überaus konzentrierten Herausarbeitung der einzelnen musikalischen Charaktere.
Mit seinem neuen Album ist dem preisgekrönten Pianisten somit ein zutiefst persönliches Statement gelungen, das den Kosmos Chopins in seinem ganzen Facettenreichtum mit Leben füllt.