Er gehört zu den geheimnisvollsten Komponisten Europas. In sich gekehrt, auf Fotos sehr ernst dreinschauend, hat er Werke von ergreifendem Tiefgang geschaffen. Weitflächige, verträumte und überraschende Harmonien gehören zu den Spezialitäten des Finnen. Sie kommen in seinen Sinfonien zur Geltung. Aber auch das melodische Element ist eine wahre Domäne von Jean Sibelius.
Das belegen seine viel zu selten gehörten Lieder, die jetzt erstmals vollständig in einer international erscheinenden CD-Ausgabe erhältlich sind. Decca gewann mit “Sibelius: Sämtliche Lieder” einen Gramophone Award, und wenn man sich die Edition anschaut, dann weiß man auch, warum. Die Ausgabe enthält auf 4 Alben alle 109 Lieder von Jean Sibelius. Damit bietet sie die seltene Gelegenheit, das Liedschaffen des Komponisten im Zusammenhang zu genießen. Das ist selbst für eingefleischte Sibelius-Liebhaber eine Offenbarung, fristeten doch die Lieder des finnischen Komponisten lange Zeit eine Randexistenz in seinem Werk. Da mag es für manchen hilfreich sein, dass der limitierten Edition mit dem 88-seitigen Booklet ausführliche Informationen über die vokale Kompositionskunst des Finnen beigefügt sind.
Mit Robert Layton hat ein ausgewiesener Sibelius-Experte zur Feder gegriffen und einen brillanten Essay beigesteuert. Und wer die finnischen Originaltexte verstehen möchte, dem leisten die englischen Übersetzungen gute Dienste. Notwendig ist das allerdings nicht, denn wenn man die schwedische Sopranistin Elisabeth Söderström oder den finnischen Bassbariton Tom Krause die Lieder singen hört, dann tut sich ein urschöner Kosmos auf, der irgendwo zwischen romantischen Träumereien, erdiger Volksliedkunst und überraschend modernen Harmonien angesiedelt ist. Die begleitenden Pianisten Vladimir Ashkenazy und Irwin Gage arbeiten die feinen Differenzen dieser Harmonien glasklar heraus.
Die Sinfonien von Jean Sibelius repräsentieren ein breites Klang- und Stimmungsspektrum. Es reicht von ausgedehnten poetischen Träumen bis hin zu heftigen eruptiven Ausbrüchen, von neoklassischen bis hin zu modern anmutenden Harmonien. Kultstatus genießen seit jeher die Aufnahmen von Anthony Collins mit dem London Symphony Orchestra. Eingespielt in den Jahren 1952–1955, handelt es sich um einen der ersten Zyklen sämtlicher Sibelius-Sinfonien, der exklusiv von einem Dirigenten und einem Orchester bewerkstelligt wurde.
Decca liegt diesen Meilenstein der Aufnahmegeschichte jetzt in einer limitierten Vinyl-Edition neu auf. “Sibelius: Sämtliche Sinfonien” umfasst 6 LPs. Die Edition hat alles, was das Sammlerherz begehrt. Die in den Abbey Road Studios remasterte Ausgabe ist klassisch auf 180g Vinyl gepresst, mit den Originalcovern ausgestattet und individuell nummeriert. Der legendäre Decca-Sound (full frequency range recording) fängt die sublimen Harmonien von Sibelius eindrucksvoll ein.
Anthony Collins stand noch in Korrespondenz mit Jean Sibelius. Sein Sinfonien-Zyklus gilt deshalb als die beste Annäherung an die Klangvorstellungen, der der Komponist selbst von der Interpretation seiner Werke hatte. Deshalb ist es zwingend, dass sich der Collins-Zyklus auch in der Edition “Sibelius: Great Performances” findet. Die 11 CDs umfassende Ausgabe versammelt Mono- und frühe Stereoaufnahmen von Schlüsselwerken des finnischen Komponisten.
Neben den Sinfonien kommt man hier in den Genuss zentraler Meisterwerke von Jean Sibelius, darunter die geheimnisvolle “Lemminkäinen Suite” (Danish State Radio Symphony Orchestra/Thomas Jensen), das ausgefeilte “Streichquartett in d-Moll” (Griller Quartet), die erhabene „Karelia Suite“ (Berliner Philharmoniker/Hans Rosbaud) und das hochgespannte “Violinkonzert in d-Moll op. 47” (Jan Damen/London Philharmonic Orchestra). Ein Highlight der besonderen Art sind die großartigen Stimmen von Kirsten Flagstad und Birgit Nilsson, die man in etlichen Liedern des Komponisten zu hören bekommt (CDs 9–10). Abgerundet wird die gelungene Edition, wie schon die beiden vorherigen, mit einem Begleitessay des Sibelius-Experten Robert Layton, hier auch in deutscher Übersetzung.