Viel Lob spornt an. So scheint es auch der Deutschen Grammophon ergangen zu sein, deren Pluscore-Konzept als “bahnbrechend” gefeiert wurde. Denn jetzt veröffentlicht das Gelblabel gleich drei neue Pluscore-CDs.
Das neue Jahr beginnt mit drei CDs in Pluscore-Ausstattung: Mischa Maiskys Einspielung der sechs Cello-Suiten von Johann Sebastian Bach, der die Titelgeschichte dieser KlassikAkzente gewidmet ist; zwei Streichquartette von Ludwig van Beethoven, interpretiert vom Hagen Quartett, und “Erlkönig”, eine CD, die der Kunst des Liedes nachspürt. Und die Spur, die “Erlkönig” verfolgt, orientiert sich an den großen Meistern – in jeder Hinsicht: Franz Schubert, Robert Schumann und Johannes Brahms stellen die Werke, interpretiert werden sie von Jessye Norman, Christa Ludwig, Dietrich Fischer-Dieskau und Fritz Wunderlich. Ein Sängerfest! Von den mehr als 200 Liedern, die Johannes Brahms geschrieben hat, werden fünf der bekanntesten hier von Jessye Norman interpretiert. “Liebestreu” oder das “Vergebliche Ständchen” sind herrliche, stimmungsvolle Liebesklagen, welche die Norman mit der vollen Kraft ihrer Stimme ganz ausfüllt.
Und sie macht deutlich, wie sehr Brahms den Wortklang beim Komponieren miteinbezog: die poetische Deklamation sollte durch die Musik befördert, nicht behindert werden. Folgerichtig tritt auch die Rolle des Begleiters in den Hintergrund, zumindest im Vergleich zu dem dominanteren Spiel, das die Lieder Robert Schumanns verlangen. Denn Schumann entwickelte ein ganz neues, inniges Verhältnis zwischen dem gesungenen Wort und der begleitenden Klavierstimme. Seine Vorliebe für zyklische Liedsammlungen ist auf dieser CD mit Dietrich Fischer-Dieskau und Fritz Wunderlich aufs Schönste dokumentiert. Wunderlich, für viele der lyrische Tenor schlechthin, ist außerdem mit seiner berühmten Interpretation von Liedern Franz Schuberts vertreten: “Heidenröslein”, “An die Musik” und “Die Forelle” – sie alle sind so bekannt wie manches Volkslied, vom Liedzyklus “Die schöne Müllerin” ganz zu schweigen.
Schuberts Vertonung von Goethes “Gretchen am Spinnrade” muss aber natürlich von einer Frau interpretiert werden und das ist hier Christa Ludwig, die darüber hinaus drei weitere Lieder von Franz Schubert singt. Dank CD-Pluscore stehen dem Hörer für diese Liedsammlung nicht nur Notenmaterial – insgesamt sind es 70 Seiten! – zur Verfügung, sondern auch ausführliche Analysen zu jedem einzelnen Lied, die das Verständnis erleichtern und auf das aufmerksam machen, was leicht überhört wird. Denselben Vorzug bietet die neue Einspielung der Beethoven-Streichquartette mit dem Hagen Quartett: Beim Ensemblespiel die Partitur mitlesen, einzelne Stimmen solo hören oder die Bratsche wegblenden, um sie selbst zu spielen – das sind nur drei der vielen Möglichkeiten, die Pluscore bietet. Und es ist das erste Mal, dass diese “Pluscore”-Ausstattung für eine Streichquartett-Aufnahme geboten wird. Dass die Wahl dabei auf zwei Beethoven-Streichquartette und das Hagen Quartett fiel, ist nicht weiter verwunderlich.
Die “ideale Balance von Intellekt und Intuition” die dem Quartett nachgesagt wird, kommt hier beispielhaft zum Tragen, denn die Aufnahme vereinigt eines der ganz frühen mit einem der letzten Streichquartette Ludwig van Beethovens. Und nur ein Ensemble, vom harmonischen Zusammenspiel der Hagens, das versteht, Klangfarben so gut wie übergangslos zu wechseln und Spannung aufzubauen, kann die Spannweite zwischen diesen beiden Werken angemessen umsetzen. Mehr hören, als die Ohren hergeben – das ist mit Pluscore durchaus möglich.