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Claudio Abbado
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Klangzauber und Detailtreue – Claudio Abbado & The London Symphony Orchestra

Claudio Abbado & London Symphony Orchestra - Complete Deutsche Grammophon & Decca Recordings
© DG
03.03.2021

Claudio Abbado als einen “musikalischen Weltbürger” zu bezeichnen, wäre nicht übertrieben. Rastlos bis zu seinem Tod im Jahre 2014 arbeitete er an der Verwirklichung seiner musikalischen und klanglichen Vorstellungen, widmete sich der Förderung des musikalischen Nachwuchses und gründete zahlreiche Orchester, mit denen er bis zum Schluss muszierte.

Untrennbar ist Abbados Name mit verschiedenen europäischen Orchestern verbunden, die nicht zuletzt durch sein Wirken zu den besten der Welt gehören. 2019 und 2020 hatte die Deutsche Grammophon mit jeweils einer Box “Claudio Abbado & Berliner Philharmoniker” und “Claudio Abbado & Wiener Philharmoniker zwei international gefeierte Editionen veröffentlicht.

Jetzt legt das gelbe Label mit der Sammlung sämtlicher Aufnahmen Abbados mit einem dritten renommierten Orchester nach: dem London Symphony Orchestra (LSO). Dabei vereint diese Box alles, was Abbado zusammen mit dem LSO für Deutsche Grammophon und Decca produzierte.

Fast zehn Jahre lang, von 1979 bis 1988 war Claudio Abbado Chefdirigent des London Symphony Orchestra. Es war eine mit Proben, Konzerten und Aufnahmen unterschiedlichster Couleur gefüllte Zeit. Die Box “Claudio Abbado & The London Symphony Orchestra: Complete Deutsche Grammophon and Decca Recordings” spiegelt auf 46 CDs die außergewöhnliche musikalische Vielfalt wider, die Abbados Wirken als Dirigent beherrschte.

Die Macht der kleinen Geste

Überfliegt man die Liste all derer, die Claudio Abbado für gemeinsame Projekte mit dem LSO gewann, erkennt man den großen Ruf, den Abbado als Dirigent genoss – als sensibler wie pedantisch genauer Diener der Partitur und zugleich großer Visionär und Klangzauberer. So erzählte Teresa Berganza in einem Interview über die gemeinsame “Carmen”-Produktion mit dem LSO und Plácido Domingo als Don José, die im Zusammenhang mit dem Edinburgh Festival 1977 entstand: “Claudio brauchte nicht viel zu reden, denn er war ein so herausragender Musiker, dass wir – ebenso wie bei Karajan – schon mit einer kleinen Geste wussten, was wir zu tun hatten. Claudio musste uns manchmal nur ansehen, er konnte mit dem Orchester und den Sängern machen, was er wollte”. Immer wieder hatte das London Symphony Orchestra unter Claudio Abbado Gelegenheit, vor allem bei den Opernproduktionen des Edinburgh Festival, mit Sängern zu musizieren. So auch bei RossinisLa Cenerentola”, ebenfalls in dieser Box enthalten. Diese Live-Erfahrungen spiegeln sich auch in den Opern-Studioaufnahmen wider, etwa im “Il Barbiere di Sevilla” mit Herman Prey in der Titelrolle, oder großen chorsinfonischen Werken wie etwa das “Te Deum von Hector Berlioz, das in der St. Albans Cathedral live produziert wurde.

Inspiration und Anregung aus dem gemeinsamen Musizieren

Was den Musiker und Dirigenten Claudio Abbados auszeichnete war, dass er nicht nur verstand, andere zu inspirieren. Er selbst empfing auch Inspiration und Anregung aus der Zusammenarbeit mit anderen Musikern. Bestes Beispiel dafür sind die in dieser Box enthaltenen Mozart-Klavierkonzerte. Rudolf Serkin nahm sie mit Ausnahme eines einzigen in den Jahren 1981 bis 1986 sämtlich mit Claudio Abbado und dem London Symphonie Orchestra auf. Zwischen Abbado und Serkin bestand von Anfang an eine besondere, von Respekt getragene Beziehung. Wie man Mozart “richtig macht”, das habe er vor allem bei Rudolf Serkin gelernt, sagte Abbado nach diesen Aufnahmen. Serkin sei es gewesen, der ihm den Weg zum richtigen Stil, zur Gleichzeitigkeit von Schlichtheit und Ausdruckstiefe gewiesen habe.

Das LSO selbst bezeichnet den ebenfalls in der Box enthaltenen Mendelsohn’schen Sinfonienzyklus als einen Höhepunkt in der Zusammenarbeit mit Abbado.

Martha Argerich mit den Klavierkonzerten Chopins, Liszts und Ravels mit dem LSO unter Abbado zu erleben, dürfte ebenso beglückend sein, wie die Referenz, die Abbado mit den Aufnahmen von “Don Juan”, “Tod und Verklärung” und “Till Eulenspiegels lustige Streiche” dem Werk Richard Strauss' erweist. Von Alban Berg über Bela Bartok, Paul Hindemith, Claude Debussy bis zu Mendelssohn und Mozart reicht die musikalische Bandbreite, die Abbado mit dem LSO zu spielen wusste.

Eine kleine Besonderheit enthält die erste der beiden Bonus-CDs dieser Box. Es ist die Kantate “Rinaldo” op. 50 für Tenor Solo, Männerchor und Orchester nach einem Text von Johann Wolfgang von Goethe. Gedacht als Bewerbung für den Kompositionswettbewerb der Aachener Liedertafel hatte Brahms es 1863 begonnen, dann aber fünf Jahre liegen lassen und schließlich am 28. Februar 1869 in Wien bei einem Konzert des Akademischen Gesangvereins Wien uraufgeführt. Das Stück ist nie populär geworden. Schon Clara Schumann war skeptisch, ob das Werk nach der Veröffentlichung, des “Deutsche Requiems” bedeutend genug sei. Vielleicht auch der ausnehmend schwierig zu singenden Tenorpartie wegen (hier mit James King) fand es bis auf wenige Ausnahmen kaum in den Aufnahmestudios und Konzertsälen statt.

Mit der jetzt vorliegenden Edition wird eine weitere Lücke im Nachlass eines der bedeutendsten Dirigenten unserer Zeit geschlossen.

Claudio Abbado und London Symphony Orchestra - Complete Deutsche Grammophon and Decca Recordings
CLAUDIO ABBADO Complete Deutsche Grammophon and Decca Recordings
5. März 2021

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