Jeder Klassikhörer weiß es: Die Klangqualität einer Aufnahme hat maßgeblichen Einfluss auf den Hörgenuss. Mag eine bestimmte Interpretation auch noch so überragend sein, wenn sich das Ergebnis nicht übermittelt, bleibt immer ein fades Gefühl zurück. Man ahnt dann vielleicht die Stärke einer bestimmten Musik, aber man erlebt sie nicht.
Deshalb erfreuen sich Neuauflagen von Aufnahmeklassikern des Stereozeitalters wachsender Beliebtheit. Zum einen werden damit Schätze der Vergessenheit entrissen, die nurmehr der Fachöffentlichkeit bekannt waren und fast in der Versenkung verschwunden wären. Zum anderen umschmeichelt der hochdifferenzierte Klang solcher Aufnahmen das Ohr, und selbst Laien, die sich nicht mit technischen Fragen befassen, schwärmen inzwischen von digital zugänglich gemachten Aufnahmen der analogen Ära.
Jetzt kann man wieder zwei außerordentliche Editionen dieser Sorte erleben. Deutsche Grammophon hat Abbados Jahrhundertaufnahme von Rossinis “Il barbiere di Siviglia” aus dem Jahre 1971 und Karajans Kultinterpretationen von Mascagnis “Cavalleria rusticana” und Leoncavallos “Pagliacci” aus dem Jahre 1965 in limitierten Hardcover-Ausgaben neu auf den Markt gebracht. Das Design der Editionen ist von den Erstveröffentlichungen inspiriert, so dass, wer möchte, nostalgisch in die sechziger und siebziger Jahre abtauchen kann.
Die audiophilen Schätze selbst finden sich auf CDs und Blu-ray Audio Discs. Das Remastering erfolgte von den Originaltapes aus im hochauflösenden 96kHz/24-bit-Format. Das Hörniveau der CDs ist bereits außerordentlich. Die Blu-ray Audio Discs steigern das Erlebnis jedoch noch um ein Vielfaches.
Die Abbado-Edition enthält zusätzlich zu den CDs und der Blu-ray Audio Disc noch eine DVD, auf der eine bahnbrechende Barbiere-Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle zu bewundern ist. Der Film aus der Mailänder Scala wurde im selben Jahr und in der gleichen Sängerbesetzung angefertigt wie Abbados legendäre Studioaufnahme mit dem London Symphony Orchestra. Die Leistung der Sängerinnen und Sänger ist überwältigend. Vor allem Teresa Berganza weiß zu begeistern. Die spanische Mezzosopranistin findet als Rosina zu einer ihrer Paraderollen: ätherisch, über die Bühne schwebend, mit hinreißenden Koloraturen im Gepäck. Die Studioaufnahme besticht durch ihre Leichtigkeit, die der junge Abbado dem London Symphony Orchestra abverlangt und die perfekt zu Berganzas Gesangskunst passt.
Nicht minder begeisternd gestaltet sich das musikalische Niveau der Karajan-Edition. Auf eine glänzend aufgelegte Fiorenza Cossotto darf man sich in Mascagnis beliebtem Einakter “Cavalleria rusticana” freuen.
Das BBC Music Magazine sprach seinerzeit von einem der feinsten Mezzos überhaupt und lobte die vielen Farbnuancen, die Herbert von Karajan dem Orchester der Scala abrang. Zu den Highlights der Interpretation von Leoncavallos Oper “Pagliacci” gehört ohne Zweifel die unübertroffene Gesangskunst Carlo Bergonzis, zumal die audiophile Klangqualität der Karajan-Edition den mondänen Stil des großen italienischen Tenors hautnah spüren lässt.