Das passte. Als Lutosławski sein von den Salzburger Festspielen in Auftrag gegebenes Klavierkonzert abschloss, da widmete er es seinem polnischen Landsmann Krystian Zimerman.
Wem hätte er es auch sonst zueignen sollen? Zimerman verstand etwas von den hohen Anforderungen Lutosławskis. Der Preisträger des Chopin-Wettbewerbs 1975 besaß eine enorme pianistische Ausdruckskraft und hatte sich stets seinen Eigensinn bewahrt. Wie Lutosławski schätzte Zimerman die absolute Präzision und das kompromisslose Eintreten für die Kunst. Berühmt geworden war er mit Interpretationen romantischer und impressionistischer Werke. Seine Einspielungen von Liszts Klaviersonate in h-Moll, Rachmaninoffs Klavierkonzerten Nr. 1 und Nr. 2 und Debussys Préludes besitzen Referenzcharakter.
Kaum ein Pianist hat so viel Konzentration und Energie in diese Werke gesteckt, und das hat sich bezahlt gemacht. Zimerman gibt nur rund 50 Konzerte pro Jahr. Er schätzt es, sich intensiv vorzubereiten. Wenn er auftritt, dann ist er hochgespannt. Seine ganze Aufmerksamkeit richtet sich dann auf den Flügel. Er bildet fast eine Einheit mit seinem Instrument. Der polnische Meisterpianist ist ein empfindsamer, poetischer Musiker, und er versteht es aufs Feinste, intime Stimmungen zu erzeugen und Klangtupfer zu setzen.
Das hat er nicht zuletzt in seinen Debussy-Interpretationen unter Beweis gestellt, und das ist sein unverkennbares Markenzeichen, wenn er Lutosławski interpretiert. Bei seinem polnischen Landsmann muss er schnell reagieren. Er muss exakt den rechten Moment abpassen. Nur so kommen die ebenso komplexen wie schönen Klangfarben Lutosławskis zur Geltung. Es ist eine Frage des richtigen Treffens, und Krystian Zimerman besitzt viel Geschick auf diesem Gebiet.
Es muss einiges zusammenkommen, damit die Interpretation eines so komplexen Werkes wie Lutosławskis Klavierkonzert (1987–88) so außerordentlich gut gelingt wie bei dem Auftritt, den Krystian Zimerman gemeinsam mit Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern im September 2013 in der Philharmonie Berlin hinlegte. Der jetzt in dem Album “Lutoslawski: Klavierkonzert, Sinfonie Nr.2” veröffentlichte Live-Mitschnitt pulsiert regelrecht. Er lässt den flirrenden Furor und die poetische Kraft Lutosławskis eindrucksvoll lebendig werden.
Simon Rattle und Krystian Zimerman harmonieren prächtig, und vielleicht liegt das Erfolgsgeheimnis dieser Zusammenarbeit in der Aufgeschlossenheit der beiden Künstlerpersönlichkeiten begründet, die sich bei aller Modernität einen romantischen Rest bewahrt haben. Klaus Oehl weist in seinem überaus feinsinnigen CD-Booklet-Essay darauf hin, dass in Lutosławskis Klavierkonzert noch Erinnerungen an Rachmaninoff aufscheinen. Das macht vielleicht die Spannung dieser Komposition aus.
Die heftige Modernität verbindet sich mit romantischen Elementen, und in diesem Zwischenreich halten sich Zimerman und Rattle offenbar gerne auf. Das zweite Werk auf dem Album, die Sinfonie Nr. 2 (1965–67), geht in eine experimentellere Richtung. Lutosławski wendet hier Kompositionstechniken von John Cage an und überlässt das Orchester teilweise sich selbst. Ein mitreißender Wirbel ist das Ergebnis. Trotz maximaler Freiheit entstehen dabei deutlich erkennbare und überaus schöne Klangmuster. Erstaunlich, was in der Musik alles möglich ist.