Wiener Philharmoniker, Barbara Bonney, Renée Fleming und am Pult der Komponist selbst: Drunter geht’s nicht, wenn André Previn seine neuesten Werke einspielt.
Previn liest. Er liest viel, richtig viel. Der Musiker ist ein besessener Leser. Der Amerikaner André Previn, der in Berlin geboren wurde, liest lange und ausführlich, bevor er komponiert. Anders kann es nicht sein, denn seine Lieder vertonen Texte quer durch die neue und neueste Literatur Amerikas und Europas: Morrison, Dickinson, Blixen und den kanadischen “Der englische Patient”-Autor Ondaatje. Schon 1992 war das so, als der viel beschäftigte Dirigent die Musikwelt mit einem Liedzyklus auf Texte der Nobelpreisträgerin Tony Morrison überraschte. “Honey and Rue” wurde ein Riesenerfolg: “Tony Morrisons Zeilen und André Previns Musik klingen, als wären sie seit ewigen Zeiten für einander gemacht”, schwärmte der “Gramophone”-Kritiker. André Previn hat das gewisse Gefühl für die richtigen Wörter. Silben und Singstimme verschmelzen, gehen eine neue Einheit ein. Erst recht, wenn Sängerinnen vom Kaliber einer Renée Fleming und einer Barbara Bonney am Werk sind. Für die jetzt neu erscheinende CD “Previn on Previn” – sie enthält ausschließlich Werke, die zum ersten Mal eingespielt wurden, u.a. auch das Auftragswerk für die Wiener Philharmoniker, “Diversions” als Live-Aufnahme – hat der Komponist den beiden Primadonnen seine Songs quasi in die Kehle komponiert: Barbara Bonney hörte eine Cello-Sonate, die André Previn für Yo-Yo Ma geschrieben hatte und bat ihn, doch etwas für sie zu komponieren.
So entstand “Sallie Chisum Remembers Billy the Kid” nach Worten von Michael Ondaatje, das jetzt zum ersten Mal in seiner Originalversion für Sopran und Orchester auf CD eingespielt wurde. Renée Fleming war schon bei der Uraufführung von Previns Oper “A Streetcar named Desire” seine Wunschbesetzung für die Titelrolle der Blanche DuBois. Jetzt hat er für “The Beautiful Voice” zwei Lieder komponiert, die in fast idealer Weise mit dem Timbre, den Klang- und Ausdrucksmöglichkeiten ihrer Stimme spielen. Der passionierte Leser Previn griff nach zwei Autorinnen mit einer ausgeprägt klaren Bildsprache: “The Giraffes go to Hamburg” vertonen eine Passage aus Tania Blixens “Out of Africa” und für den Mini-Zyklus “Three Dickinson Songs” verwendete er Gedichte der erst spät berühmt gewordenen amerikanischen Lyrikerin Emily Dickinson. Lesen ist gut und schön. Dazu Previn hören ist Luxus pur.