Jerzy Żurawlew wollte es wissen. Es wäre doch gelacht, wenn sich keine herausragenden Chopin-Interpreten fänden, junge Pianisten, die das nötige Feingefühl und technische Geschick mitbringen, um in den betörenden Klangkosmos des polnischen Meisterkomponisten, Klaviervirtuosen und Erzromantikers einzudringen.
Bislang hatte der passionierte Lehrer zu viele Grobiane erlebt. Sie verdarben Chopins herrliche Musik. So konnte es nicht weitergehen. Es musste Abhilfe geschaffen werden. Eine systematischere Suche war nötig, um wahre Chopin-Begabungen zu entdecken, und deshalb gründete Jerzy Żurawlew im Jahre 1927 den Internationalen Chopin-Wettbewerb in Warschau. Nach eigenem Bekunden war dies eine Gegenoffensive. Dem leichtfertigen Umgang mit Chopins subtiler Klangarchitektur sollte Widerstand geleistet werden.
Chopin war es wert. Seine Musik sollte in der edelsten Gestalt erklingen, die überhaupt denkbar war, vorgetragen mit wahrer Leidenschaft, aber auch intelligent und präzise durchdacht. Wer konnte das? Wer war dazu in der Lage? Der Anspruch war gewaltig, und naturgemäß zeigten sich ihm nur Pianisten gewachsen, die ein inneres Verhältnis zu Chopin hatten, die wussten, was romantische Sehnsucht, was Tanzbereitschaft und Lust an komplexen Harmonien ist.
Jerzy Żurawlew war also auf der Suche, und er wurde fündig. Der Chopin-Wettbewerb avancierte in den Folgejahrzehnten zu einer der nobelsten Adressen junger Klavierkunst. Von hier aus starteten Weltkarrieren. In Warschau ging es um alles, nicht allein um Virtuosität. Hier wurde mit Sorgfalt und Sachverstand nach Künstlerpersönlichkeiten gesucht, die Poesie und Technik, Gefühl und Verstand zu verbinden wussten, gerade so, wie es die Musik von Chopin verlangt. Nach und nach wuchs so die Riege der seltenen, in enger Beziehung zu Chopin stehenden Pianisten.
Immer deutlicher kristallisierte sich dabei heraus, dass Chopin in sehr unterschiedlicher Form überzeugend dargeboten werden kann. Die Künstler, die den Wettbewerb gewannen, bildeten ein breites Spektrum von Interpretationsmöglichkeiten ab. Alle beleuchteten sie je für sich einen besonderen Aspekt von Chopins Musik und vervollständigten so das überlieferte Bild des Komponisten zu einem immer prächtigeren Gemälde. Diese gewaltige Entwicklung lässt sich jetzt einmalig überblicken in der Sammlung “Great Chopin Pianists – The Chopin Competition Winners 1927–2010”.
Die limitierte Edition umfasst 11 Tonträger. Sie versammelt bedeutende Chopin-Interpretationen von Pianisten, die den Wettbewerb im Zeitraum 1927–2010 gewannen, darunter Aufnahmen, die während des Wettbewerbs live angefertigt wurden. Besonders ergreifend sind die frühen Aufnahmen von Lev Oborin (1927), Alexandre Uninsky (1932) und Yakov Zak (1937). Überzeugt Oborin mit der Intimität und Stille seines Spiels, so besticht Alexandre Uninsky durch seine kräftige Virtuosität. Zaks Spiel wiederum ist von imponierender Klarheit.
Vertrauter sind die Interpretationen von Maurizio Pollini und Martha Argerich, die zwischen ausgewogener Klangkunst und entfesselter Leidenschaft changieren. Mit der jüngeren Generation zieht schließlich ein neuer Mut zum Risiko in Warschau ein. Yundi Li (2000) offenbart sehr viel Gefühl, während Rafal Blechacz (2005) mit forscher Brillanz voranschreitet. Yulianna Avdeeva (2010) wiederum ist eine Meisterin des poetischen Ausdrucks. Die Vielfalt der Aufnahmen ist überwältigend. Man kann sich gar nicht satt hören.
Glänzend gelungen ist auch die Gestaltung der Edition. Die CD-Hüllen sind mit charismatischen Fotos der Künstler ausgestattet, und das Booklet wartet mit einem brandneuen Essay des Journalisten und Musikwissenschaftlers Grzegorz Michalski auf.