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Christoph Willibald Gluck
Christoph Willibald Gluck

Ru(h)m statt Cognac

02.05.2001

Im April 1779 stellte sich der junge Rat Goethe als Bruder Orest auf die Bühne. Einen halben Monat später schwärmte ganz Paris von der griechischen Priesterin. “Iphigénie”, diesmal von Christoph Willibald Gluck, war in aller Munde.

Ein Glas Cognac wurde Christoph Willibald zum Verhängnis. Genussmensch durch und durch, konnte er auch nach einem Schlaganfall nicht von dem edlen Tropfen lassen. Er starb, als er sich – trotz striktem Alkoholverbot! – hinter dem Rücken der ansonsten äußerst wachsamen Madame Gluck ein großes Glas Cognac einschenkte und in einem Zug leerte: Der Maestro überlebte diesen Tag nicht. Allerdings war das leckere Teufelszeug im Paris jener Tage auch in hohem Schwange und sorgte für allerlei Verlegenheit – bei Messieurs und Madames gleichermaßen. Zum Beispiel bei der ersten Sängerin von “Iphigénie en Tauride”. Allerdings nicht jener des Ritters von Gluck, sondern vielmehr derjenigen seines Erzrivalen Niccoló Piccinni, die 1781 in Paris unter anderem deshalb Schiffbruch erlitt, weil die edle Priesterin Iphigénie sturzbetrunken über die Bühne torkelte. Woraufhin das ohnehin glücklose Opus kurzerhand den neuen Titel “Ifigénie en champagne” verpasst bekam…

 

Das alles konnte Meister Gluck jedoch genüsslich von der Höhe seines neu gewonnenen Ruhmes betrachten. Denn zu dieser Zeit lag der zuweilen mit recht handfesten Mitteln ausgefochtene Pariser Theaterkrieg zwischen den “Gluckisten” und den “Piccinnisten”, den Gluck am 18. Mai 1779 mit seiner “Iphigénie en Tauride” siegreich beendet hatte, bereits fast zwei Jahre zurück. Es war der ewige Streit zwischen Alt und Neu, zwischen Reform und Restauration. Oder anders ausgedrückt: Piccinnis Anhänger wollten genau das hören, was Gluck seinen Parteigängern bewusst vorenthielt: endlose Koloraturen, stereotype Arien und unzählige Bravournummern, die einzig und allein den Eitelkeiten des singenden Personals geschuldet waren. Charles Burney, englischer Reisender in Sachen Musik jener Zeit, würzte seine Einschätzung der Lage gleich noch mit einer gehörigen Portion Frankophobie: “Wenn es den Verfechtern der alten französischen Musik möglich ist, irgendeine andre als die von Lully und Rameau mit Vergnügen zu hören, so muss es Glucks Iphigenie sein, in welcher er sich so weit nach dem Nationalgeschmacke, Stile und Sprache geschmieget hat, dass er den einen oft nachgeahmt und den andern adoptiert hat. Die Hauptschwierigkeit, die seinem Ruhme bei seinen eingeschrumpften Richtern im Wege steht und welches ihm dafür den Beifall gewinnen wird, ist, dass seine Komposition oft Melodie und beständig Takt hat, ob sie gleich über einen französischen Text und für eine ernsthafte, französische Oper gemacht ist.”

 

Eine ernsthafte französische Oper. So ernsthaft immerhin, dass Richard Wagner – dem bekanntermaßen alles Französische zeitlebens ein Pfahl im Fleische war – sie für gut befand. Nicht gut genug indes, denn er meinte überflüssigerweise, sie bearbeiten und ergänzen zu müssen. Selbst Richard Strauss konnte seine Finger nicht von ihr lassen. Die Dresdner wiederum schätzten das Werk dermaßen, dass sie ihre “zweite” Semperoper – die erste war 1869 abgebrannt – am 2. Februar 1878 mit Glucks Meisterwerk eröffneten. Auf Deutsche Grammophon aber feiert das Werk nunmehr sein längst überfälliges Debüt – Marc Minkowski, Les Musiciens du Louvre und der Gluck-Spezialistin Mireille Delunsch sei Dank!

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