Weihnachten steht vor der Tür und auch ein neues Jahr, das schon jetzt große Erwartungen aufbaut. Denn es wird mindestens ein Jubiläum zu feiern geben, das die Klassikwelt über Monate hinweg in Atem halten wird. Schließlich wurde von 200 Jahren einer der einflussreichsten Klavierkomponisten überhaupt geboren, der polnische Meister der romantischen Harmonie Frédéric Chopin. Ihm zu Ehren wird es zahlreiche Konzerte und auch einige herausragende neue Aufnahmen geben, die das musikalische Jahr bereichern. Die ersten Wochen haben aber noch andere Höhepunkte zu bieten. So wird traditionell das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker Walzer-Klänge in die ganze Welt schicken. Die bekannteste Sopranistin unserer Zeit, Anna Netrebko, wird sich in einem neuen Klangambiente präsentieren und Stars wie der walisische Bass-Bariton Bryn Terfel werden endlich auch in Deutschland einmal auf der Bühne zu erleben sein.
Jedes Jahr zu Neujahr wenden sich die Blicke nach Wien, in den prunkvollen Saal des Musikvereins zur Übertragung des traditionellen Konzerts der Wiener Philharmoniker. Es ist ein Festakt mit Geschichte und einer von diesen Momenten, der in vielen kulturbewussten Haushalten längst zur Pflicht gehört. Spannend ist dabei nicht nur das Event an sich, sondern auch die Frage, welcher berühmte Dirigent diesmal mit von der Partie sein wird. Die Entscheidung ist für Georges Prêtre gefallen. Mit dem Maestro aus Paris stand 2008 zum ersten Mal in der Geschichte des Neujahrskonzerts ein französischer Dirigent am Pult des Kult(ur)ereignisses. Als großer Kenner der europäischen Moderne, langjähriger Leiter der Pariser Oper und zwischenzeitlich auch Principal Guest Conductor der Wiener Philharmoniker erwies er sich als ausgezeichnete Wahl und erfüllte den Goldenen Saal des Wiener Musikvereins mit dem Charme des erfahrenen Walzer-Souveräns. Am 1.Januar 2010 also wird er wieder dabei sein, eine Woche später werden – wie gewohnt in atemberaubender Geschwindigkeit produziert – die CD-Aufnahmen und abermals eine Woche darauf auch die DVD-Mitschnitte in den Läden liegen. Auch das hat schon Tradition als niveauvoll klassischer Jahresauftakt. (Siehe Produktinformationen am Ende dieses Artikels)
Eines der großen Themen 2010 wird ein Jubiläum sein. Denn am 22. Februar 1810 wurde in Żelazowa Wola bei Warschau Fryderyk Chopin geboren, ein Revolutionär des Klavierspiels und der Klavierliteratur überhaupt, dessen kühne harmonischen und faszinierend melodischen Modifikationen der Pianokultur zu völlig neuen Klangfarben verholfen haben. Auf Einladung der Warschauer Chopin-Gesellschaft treffen sich daher vom 22.02. bis 01.03.2010 einige der weltbesten Solisten, um den Geburtstag des Komponisten musikalisch zu feiern. Zugesagt haben unter anderem Rafal Blechacz, Ivo Pogorelic, Evgeny Kissin, Daniel Barenboim, Yundi Li und die famose Martha Argerich. Zuvor wird aber dürfte eine Aufnahme von sich reden machen, auf die viele Connaisseure bereits ungeduldig warten. Denn eines der größten Klaviertalente der Gegenwart, Alice Sara Ott, startet das Chopin-Jahr mit einer Kompletteinspielung der Walzer des Komponisten. Und wie erwartet setzen diese Recital-Preziosen die Messlatte sehr hoch für alles, was danach kommen wird.
Im August 2009 war Lokaltermin am Festspielhaus in Salzburg, denn im Rahmen der Festspiele gab es etwas Besonderes zu erleben. Anna Netrebko, Opern-Diva mit einer Aura von der Musen Gnaden, gab ihren Festspiel-Einstand als Liedinterpretin, mit niemand Geringerem als Daniel Barenboim am Klavier. Während sich auf dem roten Teppich die Prominenten drängelten, um zu diesem außerordentlichen Kammermusikereignis vorzudringen, nahmen es die Künstler mit Nonchalance. Dabei machten sie es sich nicht leicht, denn sie wählten keine der Evergreens des Repertoires, sondern hochromantisch-emphatische Stücke aus der Feder von Peter Tschaikowsky und Nikolai Rimsky-Korssakoff Es war ein russischer Abend mit viel Leidenschaft und zum Glück für die Musikwelt waren die Mikrofone der Deutschen Grammophon dabei. So wird das Duo Netrebko-Barenboim, wenn sie sich Ende März in Berlin erneut zusamenfinden, im Frühjahr auch über die Salzburger Festspielwände hinaus auf CD reüssieren.
Ein „böser Junge“ will Bryn Terfel sein, zumindest auf seinem nächsten Album. „Bad Boys“ heißt das Soloalbum des Waliser Bass-Baritons und es bringt in seinem aufregenden Programm zahlreiche Finsterlinge und listige Gestalten zusammen, die im Laufe der Jahrhunderte die Opern- und Musicalbühne bevölkert haben. Jago ist dabei aus Verdis „Otello“, Kaspar aus Webers „Der Freischütz“, Pizarro aus Beethovens „Fidelio“ und sogar Mackie Messer aus Kurt Weills „Dreigroschenoper“. Sogar als Stephen Sondheims schauriger Metzger Sweeney Todd glänzt der Waliser Prachtkerl. Es ist eine grandiose Zusammenstellung außergewöhnlicher Arien und Songs, die jeweils zu den beeindruckendsten Passagen der Werke zählen und Bryn Terfel hat sich daher entschlossen, sie auch auf den Bühnen in Deutschland zu präsentieren. Im Spätherbst 2010 ist er damit unterwegs, um als „Bad Boy“ dem Publikum einen wohligen Schauer über den Rücken laufen zu lassen. Da wird es so manches musikalische Juwel zu hören geben, wie auch überhaupt 2010 mindestens ebenso reizvoll zu werden verspricht wie das laufende Jahr, bei dem sich niemand über mangelnde Abwechslung und fehlende Highlights zu beklagen hatte. Leider wird man dabei jedoch auf ein Highlight der Aufnahme verzichten müssen: Bryn Terfel in allen drei Bass-Bariton-Rollen aus Mozarts „Don Giovanni“ gleichzeitig im berühmten Finale des zweiten Aktes… es sei denn, es gelingt dem Waliser bis dahin, das Geheimnis der Omnipräsnez zu lüften…