Beethovens zweites Klavierkonzert gehört zu den unterschätzten Kompositionen des Wiener Klassikers. Dazu hat gewiss auch sein eigenes Urteil beigetragen. Der Komponist zählte es ausdrücklich nicht zu seinen besten Werken und schrieb es mehrfach um. Für das Klassikpublikum des 21. Jahrhunderts, das in diesem Jahr den 250. Geburtstag Beethovens feiert, ist die kritische Bewertung kaum nachzuvollziehen, kommt im zweiten Klavierkonzert doch eine ungeheuer phantasievolle, durch und durch beseelte Klangwelt zum Ausdruck, die in den großen Konzertsälen der Musikwelt immer wieder für Begeisterung sorgt. Weshalb wies der Komponist dieser Arbeit dann einen vergleichsweise niedrigen Rang zu?
Sie war eines seiner Frühwerke. Beethoven hatte, als er sich ihr widmete, seine persönliche Handschrift noch nicht vollumfänglich entwickelt. Er stand noch im Bann Mozarts. Seine wuchtige Dramatik deutete sich zwar schemenhaft an. Sie dominierte aber noch nicht das gesamte Klanggeschehen seiner Kompositionen. Dies alles und ein extrem hoher Anspruch an sich selbst mögen zu seinem Urteil beigetragen haben.
Das zweite Klavierkonzert durchweht eine eigentümliche Leichtigkeit, eine schwebende Eleganz: unbeschwerte Stimmungen, die beim reifen Beethoven immer seltener werden. Die melodischen und tänzerischen Akzente, die das Konzert setzt, sind von bezwingender Schönheit. Das empfanden auch schon die Zeitgenossen des Komponisten so, erntete Beethoven doch den “ungetheilten Beifall des Publikums” (Wiener Zeitung), als er im Jahre 1795 die erste Fassung des Klavierkonzerts, selbst am Pianoforte sitzend, in Wien zur Aufführung brachte. Nicht weniger enthusiastisch fiel die Reaktion des Publikums aus, als weit über zwei Jahrhunderte später, im Mai 2019, der japanische Dirigent Seiji Ozawa und die argentinische Starpianistin Martha Argerich mit Beethovens zweitem Klavierkonzert in Japan aufschlugen.
Die Aufführung im Art Tower Mito, mit dem für seine transparente Musizierweise bekannten Mito Chamber Orchestra, geriet zu einer wahren Demonstration der Vorzüge einer modernen Beethoven-Interpretation, die das Hauptaugenmerk auf mitreißende Dynamiken und fein ausbalancierte Klangnuancen legte. So erlebt man in dem jetzt bei Decca erscheinenden Live-Mitschnitt den harmonischen Farbenreichtum Beethovens in seiner ganzen Pracht und wird zugleich gepackt von der tänzerischen Ausdruckskraft des zweiten Klavierkonzerts.
Martha Argerich und Seiji Ozawa verbindet eine jahrzehntelange Künstlerfreundschaft. Die beiden Stars, die vor knapp drei Jahren mit ihrer Aufnahme von Beethovens erstem Klavierkonzert die japanischen Klassik-Charts stürmten, verstehen einander fast blind und “entzünden sich aneinander” (BBC Music Magazine). Diese leidenschaftlichen Qualitäten untermauert ihre neueste Veröffentlichung eindrucksvoll. Neben Beethovens Klavierkonzert Nr. 2 in B-Dur, op. 19 enthält das Album übrigens eine funkensprühende Aufnahme des Allegros aus Mozarts heiterem Divertimento in D-Dur, K. 136 und eine mit viel träumerischer Suggestivkraft ausgestattete Interpretation von Griegs Holberg-Suite.