Martha Argerich zählt seit Jahrzehnten zu den hochgeschätzten Mitgliedern der Verbier-Familie. Die argentinische Starpianistin pilgert leidenschaftlich gern in den idyllischen Ort in den Walliser Alpen, wo Jahr für Jahr junge, aufstrebende Künstlerinnen und Künstler mit etablierten Größen der Klassikkultur zusammentreffen, um sich intensiv über Musik auszutauschen, gemeinsam zu proben und zusammen aufzutreten. “Es ist ein sehr besonderer Ort”, urteilt sie über das weit in die Welt ausstrahlende Festival. “Ich habe dort großartige Leute getroffen und mit herausragenden Leuten zusammengespielt.”
Die Pianistin bevorzugt Festival-Auftritte. Dort trifft sie auf Freunde und kann gemeinsam mit ihnen musizieren. Seit sie sich im Jahr 1981 dazu entschloss, nicht mehr solo aufzutreten, gewannen Mitmusizierende eine wachsende Bedeutung in ihrem künstlerischen Leben. Allein auf der Bühne fühlte sie sich “wie ein Insekt unter der Lampe”. Gemeinsam mit anderen wurde sie die “strahlende Sonne inmitten eines großen Kreises von Musikerfreunden” (Julia Spinola).
Einer ihrer brillantesten Kollegen, mit dem sie eine lange Künstlerfreundschaft verbindet, ist der lettische Cellist Mischa Maisky. An dessen Seite führte sie im Jahr 2000 in Verbier gemeinsam mit dem damals noch jungen Geiger Vadim Repin Haydns hinreißendes Klaviertrio Nr. 39 in G-Dur auf. Yehudi Menuhi hatte Repin einmal als den “besten und perfektesten Violinisten” bezeichnet, den er je gehört habe. Argerich entfesselt, leidenschaftlich antreibend, Maisky in seiner spontanen, wilden Art und der ebenso elegant wie beflügelt aufspielende Repin machen Haydns Klaviertrio mit seinem furiosen Presto am krönenden Schluss zu einem Hör-Erlebnis sondergleichen. Der freiheitliche Geist von Verbier ist überall zu fühlen. Was es heißt, dass Argerich die “strahlende Sonne inmitten eines großen Kreises von Musikerfreunden” ist, wurde lebhaft spürbar.
Bei Prokofiev kann Martha Argerich ihre ganze virtuose Klasse zur Geltung bringen. Er sei ihr bester Freund, hat die Pianistin einmal gesagt. Das pulsierendes Klavierkonzert Nr. 3 in C-Dur, das der russische Komponist in den Jahren 1917 bis 1921 schuf, nahm sie schon 1967 als junge Frau mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Claudio Abbado auf, danach noch einmal 1997 in einer Grammy-prämierten Einspielung mit dem Orchestre Symphonique de Montréal unter Charles Dutoit.
Das eng mit Deutsche Grammophon kooperierende Label Verbier Festival Gold tut gut daran, den Mitschnitt von 2001 dem Publikum zugänglich zu machen. Die Aufführung mit dem fulminant musizierenden Verbier Festival Orchestra unter der Leitung von Yuri Temirkanov fügt den älteren Aufnahmen Martha Argerichs Wesentliches hinzu. Die Löwin am Klavier ist ganz in ihrem Element. Sie entzündet das “klare Feuer”, das ihr der große Kritiker Joachim Kaiser attestiert hat. Das Publikum in Verbier dankt es ihr mit frenetischem Jubel.