Sie hat nie ein großes Aufhebens um ihre Person gemacht. Die Eitelkeiten des Kulturbetriebs waren ihr von Beginn an fremd.
Doch hinter der eigensinnigen, kompromisslosen und kritischen Künstlerin steckt eine empfindsame Seele, die sich ganz der Musik verschrieben hat. Ihr dient sie. Für die Musik tut sie alles, und deshalb stellt sie ihre eigene Person zurück. Sie sieht sich wohl eher als Medium, das die schönen Klänge des Klaviers und der klassischen Tradition vermittelt, und das gelingt ihr mit einer solchen Sicherheit, einem so breiten Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten, dass man kaum Worte dafür findet.
“Kompromisslos. Hell und klar. Weich. Poetisch. Sensitiv. Nie sentimental. Immer brennend”, so hat Christine Lemke-Matwey das Spiel von Maria João Pires in der Wochenzeitung DIE ZEIT charakterisiert. Man müsste dem noch weitere Vokabeln hinzufügen: sozial, kollegial, zutiefst menschlich. Denn keine Form des Musizierens liebt die portugiesischstämmige Pianistin mehr als die Kammermusik. Obwohl sie eine glänzende Solistin ist, hat sie das gemeinsame Musizieren mit anderen stets dem einsamen Klavierspiel vorgezogen.
Deshalb wird die dritte Edition der Gesamtwürdigung ihres Schaffens auch schon sehnsüchtig erwartet, enthält sie doch sämtliche kammermusikalische Aufnahmen, die Maria João Pires für Deutsche Grammophon getätigt hat. Zum 70. Geburtstag der Pianistin waren im Jahre 2014 ihre furiosen Soloaufnahmen erschienen. 2015 folgte eine Edition mit hochgelobten Konzert-Aufnahmen, und jetzt liegt die dritte und abschließende Ausgabe der großen Gesamtwürdigung vor.
“Maria Joao Pires – Complete Chamber Music Recordings on Deutsche Grammophon” umfasst 12 Tonträger. Den Löwenanteil der Edition bilden Werke der Romantik. Komponisten wie Beethoven, Brahms, Schumann oder Schubert säumen die Ausgabe. Maria João Pires hat eine Vorliebe für Repertoire, das hohe formale Anforderungen stellt und zugleich von tiefer Emotionalität durchdrungen ist. Das ist ihr musikalisches Terrain. Hier kann sie sich frei entfalten, und das zeigt sich am eindringlichsten in den Aufnahmen von Beethovens Violinsonaten.
Eingespielt mit ihrem langjährigen Ehepartner, dem französischen Geiger Auguste Dumay, entfaltet Maria João Pires hier die ganze Kraft ihres glasklaren Klavierspiels. Gemeinsam mit Dumay birgt sie den harmonischen und tänzerischen Schatz des Wiener Klassikers, der zum Vorreiter der Romantik wurde. Nicht minder ergreifend sind die Aufnahmen der Violinsonaten 1–3 von Johannes Brahms, ebenfalls mit Auguste Dumay. Sie besitzen einen intimen Charme, eine poetische Zartheit, die berührt.
Von unbändiger Spielfreude zeugen die Klaviertrios von Mozart, die Pires gemeinsam mit Dumay und dem chinesischen Cellisten Jian Wang eingespielt hat. Ein herrliches Trio, das wie selbstverständlich harmoniert! Mit Werken von Ravel und Debussy wagen sich Pires und Dumay schließlich auch in impressionistische Gefilde. Und auch hier gilt: differenzierter, klarer Ausdruck, keine Verwischungen. Detail für Detail freut man sich an den überraschenden Harmonien der französischen Avantgardisten.
Mit kammermusikalischen Meisterwerken von Franck, Chopin oder Grieg finden sich etliche weitere Perlen in der Edition, die auch in puncto Gestaltung nichts zu wünschen übrig lässt. Die CDs sind in die Originalcover der Ersterscheinung gehüllt, und das farbige Booklet rundet die Ausgabe gelungen ab. Hervorzuheben ist der ausgezeichnete Essay von Jessica Duchen, der das kammermusikalische Geschick von Maria João Pires kongenial zu fassen bekommt. So überzeugt diese Edition durch beides: den musikalischen Inhalt und die edle Rahmung.