Die 1944 in Lissabon geborene Maria João Pires gab bereits mit fünf Jahren ihr erstes Konzert. Nach dem 1970 gewonnenen Internationalen Beethoven-Wettbewerb vollzog sich ihre Karriere als weltweit agierende Pianistin so rasant, dass sie sich zunächst Mitte der 1970er Jahre von der Konzertbühne zurückzog, auf die sie erst 1982 zurückkehrte.
1989 unterschrieb Maria João Pires einen Vertrag bei Deutsche Grammophon, der die Grundlage für eine Fülle wegweisender Aufnahmen bildete, darunter mit dem Repertoire der Musik von Bach, Schubert, Brahms und Schumann. Besonders gefeiert wurden ihre Mozart- und Chopin-Interpretationen. Die allerersten Aufnahmen für DG entstanden im Februar 1989. Jetzt erscheinen aus dem großen Schatz, der in den Archiven des Gelben Labels lagert, die beiden Klavierkonzerte Fréderic Chopins mit dem Royal Philharmonic Orchestra unter der Leitung von André Previn als Doppel-LP – sowohl die bereits legendäre Aufnahme des Klavierkonzertes Nr. 2 aus dem Jahr 1993 als auch das 1991 aufgenommene Klavierkonzert Nr. 1. Letzteres wurde aber erst 2021 remastered und erstmals auf CD veröffentlicht.
Robert Schumann beobachtete als Musikkritiker aufmerksam und kritisch die Werke junger Zeitgenossen wie Felix Mendelssohn, Ignaz Moscheles oder später Johannes Brahms. Seine Begeisterung für den jungen Fréderic Chopin ist in den Rezensionen für seine “Neue Zeitschrift für Musik” nachzulesen. “Chopins Werke sind unter Blumen eingesenkte Kanonen.” Als er 1831 die ein Jahr zuvor erschienenen Variationen für Klavier und Orchester des jungen Chopin über Mozarts “Là ci darem da mano” einstudierte, äußerte er verzückt: “… als blickten mich lauter fremde Augen, Blumenaugen, Basiliskenaugen, Pfauenaugen, Mädchenaugen wundersam an…” und bekräftigte schließlich: “Da guckt der Genius aus jedem Tacte”.
Die lange Tradition der Virtuosenkonzerte, begründet in der Personalunion von Komponist und Virtuose wie etwa bei Carl Philipp Emanuel Bach, Mozart, Hummel oder Beethoven, wurde auch im 19. Jahrhundert fortgesetzt. Prominente Beispiele dafür sind Felix Mendelssohn, Clara und Robert Schumann Mendelssohn oder Franz Liszt.
Auch die beiden Klavierkonzerte Frédéric Chopins stehen eben in dieser Tradition. Beides sind romantische Jugendwerke Chopins – Ausdruck der Leidenschaft für seine polnische Heimat. Das Klavierkonzert Nr. 1 in e-Moll Konzert von 1830 steht in der zeitlichen Reihenfolge der Entstehung beider Konzerte eigentlich nach dem f-Moll-Konzert, das bereits 1829–30 entstand. Seine spätere Veröffentlichung führte zu der falschen Zählweise.
Für die Entstehung beider aber ist der enge Zusammenhang von Improvisation und Komposition charakteristisch. Oft entwickelte sich eine Komposition aus der Improvisation heraus, wie etwa bei den Kadenzen der Instrumentalkonzerte, mit denen die Solisten nicht nur die musikalische Essenz des Konzertes präsentieren, sondern zugleich ihre Virtuosität unter Beweis stellten. Nicht von ungefähr widmete Chopin das e-Moll-Konzert op. 1 dem damals überaus prominenten Klaviervirtuosen Friedrich Kalkbrenner. Es gibt Berichte über Chopins verzweifeltes Bemühen, seine virtuosen Pianokaskaden in Notenform aufzuschreiben.
Auch beim f-Moll Konzert op. 21 liegt der Schwerpunkt zweifellos bei der Virtuosität des Solisten und weniger beim Orchester als sein Begleiter. Die jetzt auf Vinyl vorliegenden Aufnahmen präsentieren Maria João Pires als herausragende Pianistin, deren technische Fähigkeiten und musikalisches Verständnis ebenso wie ihre Auffassung des gemeinsamen Musizierens als Aktion größter Nähe zueinander die enorme Weite der romantischen Klaviermusik Chopins zu einem bewegenden Erlebnis macht.