Beinahe zeitgleich zur neuen Mozartaufnahme von Mitsuko Uchida erscheint dieser Tage auch die neue gemeinsame Einspielung von Maria João Pires und Maestro Claudio Abbado. Bereits zum vierten Mal seit 1993 trafen die portugiesische Pianistin und der italienische Dirigent aufeinander um zwei Klavierkonzerte von Mozart für CD einzuspielen – auf dem Programm standen diesmal Nr. 27 (KV 595) und 20 (KV 466). Nach dem Chamber Orchestra of Europe, mit dem die preisgekrönten Aufnahmen der Vergangenheit realisiert wurden, wirkte diesmal erstmals das großartige Orchestra Mozart mit, das Abbado 2004 in Bologna gründete. Die kunstsinnige und genussfreudige Stadt hat eine besondere Verbindung zu Mozart, denn zweimal weilte dieser hier im Jahr 1770 in Begleitung seines Vaters. Der erst 14 Jahre alte Komponist absolvierte im Zuge einer Ausnahmeregelung eine Prüfungsarbeit für Volljährige und wurde mit einstimmigem Votum der Jury unter die Meister der Accademia Filarmonica di Bologna aufgenommen.
Werk mit bewusstseinserweiternder Wirkung
In Bologna kamen im Herbst 2011 auch Pires, Abbado und das Orchestra Mozart zusammen, um den Geist Mozarts zu beschwören und die vorliegende Einspielung des Klavierkonzerts Nr. 27 in B-dur zu absolvieren. Das Konzert für Klavier und Orchester, geschrieben vermutlich im Jahr 1791, ist der letzte von Mozarts 27 Beiträgen zu dem Genre, das er zum bevorzugten Vehikel seiner Genialität als Komponist und Solist machen und zu unerreichter Höhe führen sollte. Mozart griff für dieses Werk auf die schlankere Instrumentierung seiner Frühwerke zurück, verzichtete auf den Einsatz von Pauken und Trompeten. Besonderes Kennzeichen des Konzerts ist eine starke thematische Integration aller Sätze, wie sie zu einem beliebten Stilmittel der Romantik werden sollte. Das Larghetto besticht durch seine einnehmende Schlichtheit und heitere Melodik. Ein Pianist unserer Tage, so weiß Autor Jed Autor im seinem Begleittext zur CD zu berichten, “ging einmal so weit, den gelösten Ausdruck des Satzes mit einem in jungen Jahren angestellten Experiment mit bewusstseinserweiternden Drogen zu vergleichen.”
Ein Werk der Leidenschaft
KV 466, das erste von nur zwei Klavierkonzerten Mozarts in einer Molltonart, wurde im Jahr 1785 geschrieben und vom Komponisten selbst als Solist im ehemaligen Salzburger Mehlgrube Casino erstmals aufgeführt. Mozart-Biograf Alfred Einstein schreibt über das d-moll-Konzert, der Komponist habe nie stärkere Kontraste in einem Werk vereinigt, sowohl im Rahmen der drei Sätze als auch innerhalb der Sätze selbst. Dieses Werk der Leidenschaft mit seiner düster-expressiven Klangwelt in der dunklen Tonart d-moll, von Mozart auch im Requiem und in der Oper Don Giovanni verwendet, zählte zu den bekanntesten Klavierkonzerten Mozarts im 19. Jahrhundert. Zahlreiche Kadenzen wurden unter anderem von Brahms, Hummel, Busoni und Clara Schumann geschrieben. Maria-Joao Pires hat für die vorliegende Aufnahme die Kadenzen Ludwig van Beethovens gewählt, der das Konzert bewunderte und in seinem Repertoire führte.