Daniel Hope hat gemeinsam mit dem ukrainischen Pianist Alexey Botvinov die EP “Music for Ukraine” aufgenommen. Auf dem Programm stehen Werke der ukrainische Komponisten Valentin Silvestrov, Myroslav Skoryk und Jan Freidlin, die es verdienen, gehört zu werden. Besonders jetzt. Ein Text von Daniel Hope.
In den letzten sechs Jahren bin ich jeden Juni als Artist in Residence beim Odessa Classics Festival aufgetreten. Odessa ist ein Mekka für Geiger, was zunächst dem ukrainischen Geigenpädagogen Pjotr Stolyarsky zu verdanken ist. Stolyarskys Name steht für die besondere Methode der professionellen musikalischen Ausbildung von begabten Kindern. Im Jahr 1933 gründete er die legendäre Stolyarsky-Musikschule in Odessa, an der noch heute gelehrt wird. Er unterrichtete einige der größten Geigenlegenden, darunter David Oistrakh, Nathan Milstein, Samuil Furer, Mikhail Fichtenholz und Boris Goldstein, der wiederum meinen eigenen Lehrer, Zakhar Bron, unterrichtete.
Odessa Classics wurde von meinem Freund, dem ukrainischen Pianisten Alexey Botvinov, gegründet. Durch ihn habe ich Odessa, sein reiches kulturelles Erbe und seine musikbegeisterten Menschen kennen und lieben gelernt. Alexey und ich hatten vor, im März 2022 in Kiew zu sein, um mit dem Komponisten Valentin Silvestrov zu arbeiten und ein Album mit seiner Musik aufzunehmen. Wenige Tage vor dem russischen Angriff verließ Alexey mit einem Teil seiner Familie die Ukraine: Sie können nun nicht mehr zurückkehren. Gemeinsam organisierten wir in kürzester Zeit im Fernsehen übertragene Benefizkonzerte für die Ukraine in der Frauenkirche in Dresden und in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin. Die Klaviermanufaktur Bechstein spendete mehr als 500.000 Euro für die Ukraine, und sowohl der amtierende als auch der ehemalige Bundespräsident unterstützten uns.
Das Beethovenhaus Bonn, dessen Präsident ich bin, rief das Soforthilfeprogramm “Hope for Peace” ins Leben, um geflüchtete Musiker und Musikerinnen aus der Ukraine mit Benefizkonzerten zu unterstützen und ihnen sowohl eine Unterkunft, als auch Möglichkeiten zu bieten, Musik aufzunehmen und Konzerte zu spielen. In der Zwischenzeit ist es dem 84-jährigen Valentin Silvestrov gelungen, den Bombenangriffen auf Kiew zu entkommen und sich zu Fuß über die Grenze in Sicherheit zu bringen. Nachdem er am 11. März unser Konzert in Berlin besucht hatte, waren wir umso mehr entschlossen, seine Musik so bald wie möglich aufzunehmen.
Dies ist unser nächster Versuch, die ukrainische Musik am Leben zu erhalten. Wir haben eine EP mit Werken von drei Komponisten aufgenommen: Silvestrov, Skoryk und Freidlin, Giganten der ukrainischen Musik. Alle Erlöse aus diesen digitalen Tracks werden an die “Aktion Deutschland Hilft” gespendet, die die Ukraine unterstützt. Wir hoffen, dass dies auch der Ausgangspunkt für eine digitale Sammlung sein wird, die wir – und vielleicht auch andere – in Zukunft erweitern können. Zum Beispiel hat der junge Geiger Illia Bondarenko, den ich letztes Jahr unterrichtet habe und der sich selbst in einem Kellerverschlag in Kiew beim Spielen eines ukrainischen Volksliedes gefilmt hat, das von 94 Geigern aus 29 Ländern begleitet wurde, gerade ein neues Stück für uns fertiggestellt, das allerdings erst nach der Fertigstellung dieser Aufnahme eingetroffen ist.
Es gibt noch viele andere Werke, die es verdienen, gehört zu werden. Besonders jetzt.
Daniel Hope