Spektakuläres Gesamtkunstwerk
Ein Ort, wie geschaffen für die Yellow Lounge, die seit 2001 mit elektrisierenden Konzertevents urbane Clubkultur und klassische Musik miteinander verbindet. Vorigen Mittwoch war sie im “Supermarkt” zu Gast. Auf dem Programm stand der Oboist Albrecht Mayer, der sein soeben erschienenes Solo-Album “Longing for Paradise” vorstellte. Mayer, der in Begleitung einer über 50 Musiker starken Besetzung der Bamberger Symphoniker auftrat, wusste die Atmosphäre der Location glänzend zu nutzen. Mit seiner lässigen Art, seinem leidenschaftlichen Oboenspiel und einem ebenso abwechslungsreichen wie tiefsinnigen Repertoire begeisterte er das Publikum. VJ Philipp Geist und die DJs Clé & Aoi Mizuno trugen maßgeblich dazu bei, dass der Abend zu einem spektakulären Gesamtkunstwerk wurde.
Wie überwältigend es ist, wenn Musik, Raum und Visuals eine Verbindung eingehen, zeigte sich bereits zu Beginn des Konzerts, als die Bamberger Symphoniker unter der Leitung von Jakub Hrůša den “Bamberger Marsch” von Jörg Widmann spielten, eine erstaunliche Melange aus spätromantischen Stimmungen und Versatzstücken bayerischer Volksmusik. Im Hintergrund sah man dazu Hexagone über die Wände gleiten, in Schwarz-Weiß, in Lila, mit wachsendem Furor der Musik wirbelnder, passend zur perkussiven Heftigkeit von Widmanns Komposition.
Poetischer Rausch
Albrecht Mayer sorgte nach dieser ekstatischen Synergie für einen Rausch der poetischen Art. Seine ebenso zartfühlende wie virtuose Interpretation von Edward Elgars “Soliloqui” zog das Publikum mit melancholischer Intensität in den Bann. Danach sollte eigentlich Pause sein, doch der japanische Gast-DJ Aoi Mizuno sampelte aus Orchesteraufnahmen von Strauss’ sinfonischer Dichtung “Also sprach Zarathustra” und Wagners “Walkürenritt” derart vibrierende Sets, dass ein Teil des Publikums gebannt dem Künstler lauschte.
Der zweite Programmteil gestaltete sich etwas ruhiger, auch wenn die Bamberger Symphoniker ihrer tänzerischen Begeisterungsfähigkeit mit Ligetis “Concert Românesc” und dem als Zugabe dargebotenen Ungarischen Tanz Nr. 21 in e-Moll von Johannes Brahms einmal mehr Nachdruck verliehen. Im Zentrum stand aber die für Oboe arrangierte Suite “Le Tombeau de Couperin” von Maurice Ravel, deren ebenso schmerzvolle wie tröstliche Stimmung Albrecht Mayer überzeugend zum Ausdruck brachte. Mit der Sinfonia aus Bachs Kantate “Ich hatte viel Bekümmernis” entließ der große Oboist ein sichtlich bewegtes Publikum in die Nacht.
Über die Location
Als der Eiserne Vorhang im Jahre 1989 fiel, bekam der vielbeschworene Improvisationsgeist von Berlin neuen Schub. Damals erblickte man im Ostteil der Stadt allenthalben leerstehende Gebäude, die von einer faszinierenden Aura umgeben waren. Das setzte bei vielen jungen Leute Gestaltungsenergien frei. Sie nahmen etliche dieser Räume in Besitz und widmeten sie der Kunst. Als späte Frucht dieser Entwicklung kann der “Supermarkt” in Berlin-Friedrichshain gelten. Die Location ist in vielerlei Hinsicht geradezu ein Inbegriff des Improvisatorischen. Die Macher betonen, dass man den Raum blitzschnell umfunktionieren kann. Durch seine flexible Handhabbarkeit eigne er sich für ganz verschiedene Künste und Ausstellungskonzepte.
Zu DDR-Zeiten befand sich hier eine Kaufhalle, und wenn man den Raum betritt, dann spürt man noch immer diesen durchgangshaften, dynamischen Charakter des Marktes, dessen breite Fläche nunmehr für Raves und Kunstprojekte aller Ort zur Verfügung steht.