Carl Nielsen ist für nicht wenige eine Entdeckung, und das, obwohl er der wichtigste Sinfoniker Dänemarks war. Umso mehr lohnt es sich, einzutauchen in die Werke des außergewöhnlichen Tonschöpfers. Eine gute Gelegenheit dazu bietet nun eine Veröffentlichungs-Reihe bei Deutsche Grammophon, in deren Rahmen nach und nach sämtliche Sinfonien Nielsens veröffentlicht werden, eingespielt vom Spitzenensemble Danish National Symphony Orchestra unter Leitung seines Chefdirigenten Fabio Luisi. Das erste digitale Album ist bereits erschienen, das zweite mit der ersten und der dritten Sinfonie folgt am 9. Dezember, bevor im neuen Jahr die weiteren Sinfonien veröffentlicht werden.
Die Sinfonien von Carl Nielsen sind tief verankert in der dänischen Landschaft und Kultur und üben gleichzeitig eine universelle Anziehungskraft aus. Dabei handelt es sich um ausgesprochen kraftvolle und unterschiedliche Werke des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in denen Nielsen die ganze Vielfalt seiner Kompositionskunst aufzeigt und mit unverkennbar pointierter und origineller Tonsprache in den Bann zieht. Der Stil Nielsens liegt dabei fernab romantischer Weitschweifigkeit. Vielmehr ist er häufig durch eine knappe Melodik gekennzeichnet, die durchaus spröde und herb erscheinen kann, was sie nicht weniger reizvoll macht. So stechen insbesondere die prägnante Instrumentation und die intensive thematisch-motivische Arbeit in seinen sinfonischen Großwerken hervor. Nielsen entwickelt darin aus einem melodischen Kern heraus einen Strom von organischen Sätzen. Dabei ist seine Musik nie erwartbar, stattdessen voll überraschender Wendungen und unerwarteter neuer Facetten, reich an harmonischen Raffinessen und rhythmisch vertrackten Passagen. Die erste und die dritte Sinfonie, die auf dem neuen Album veröffentlicht werden, demonstrieren diese kompositorische Dichte deutlich, wobei die erste Sinfonie überaus lebendig und energievoll in den Bann zieht, während die dritte Sinfonie den Beinamen “Sinfonia espansiva” trägt und im zweiten Satz mit Vokalisen überrascht.
Das Danish National Symphony Orchestra wird international gefeiert für seine eindrucksvollen Interpretationen der Musik von Carl Nielsen. Dass sich der Klangkörper dem Werk Nielsens ganz speziell verbunden fühlt, kommt nicht von ungefähr: So dirigierte Nielsen selbst das Orchester in den 1920er und 1930er Jahren und es besteht somit eine enge innere Verbindung zu seinen Schöpfungen, die das Orchester in der Welt der Klassik noch bekannter machen möchte. Heute zählt das Dänische Nationale Symphonieorchester zu den führenden Orchestern in Europa, das mit renommierten Dirigenten und Solisten auftritt. Chefdirigent ist bereits seit 2016 Fabio Luisi, der mit dem Orchester auch die Werke Nielsens für sich entdeckte. So sagt der Dirigent: “Nielsens Musik gehört wirklich zum Danish National Symphony Orchestra, und es war für mich als Dirigent eine schöne Erfahrung, diesen hochinteressanten, komplexen und sehr originellen Komponisten kennenzulernen”.
Mit Fabio Luisi steht bei der Gesamteinspielung der Sinfonien Nielsens ein exzellenter Dirigent am Pult des Orchesters, der bereits etliche renommierte Klangkörper geleitet hat, darunter die Wiener Symphoniker, die Staatskapelle Dresden und das Tonkünstler Orchester Wien. Zahlreiche seiner Einspielungen wurden preisgekrönt; unter anderem erhielt Luisi einen Grammy Award für seine Leitung des Ring des Nibelungen, der von Deutsche Grammophon live in der MET mitgeschnitten und als DVD veröffentlicht worden war.
Die Einspielung der Sinfonien von Carl Nielsen durch das Danish National Symphony Orchestra ist ein faszinierendes Hörerlebnis. Dabei ist deutlich spürbar, dass das Orchester die Werke Nielsens unter Leitung von Luisi bereits etliche Male live aufgeführt hat und dadurch einen großen Erfahrungsschatz und eine ebenso lebendige wie gereifte Gestaltungsgabe entwickelt hat. So werden die spannungs- und kontrastreichen Werke des Komponisten für die Hörer geistreich, wendig und intensiv erlebbar und zeigt sich der ganze Facettenreichtum des einzigartigen Komponisten. Dabei offenbart das Dänische Nationalorchester eine Fülle an Klangfarben und eine ausgesprochen transparente Klangkultur, die von Fabio Luisi leidenschaftlich, impulsstark und fokussiert vollendet wird. Es ist ein weiterer wichtiger Teil eines musikalischen Großprojekts, das im kommenden Frühjahr seinen krönenden Abschluss erfahren wird.