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Pierre Boulez
Pierre Boulez

Klangschichten des 20. Jahrhunderts – Umfassende Boulez-Edition erschienen

Die limitierte Edition 20th Century
29.01.2015

Er hat sich nie mit Mittelmaß zufrieden gegeben. Selbst seinen eigenen Arbeiten gegenüber behielt er stets eine kühle Distanz bei. Manches seiner frühen Werke lehnt er heute ab. Andere Werke überarbeitet er immer wieder. Die fortwährende Umarbeitung und Neugestaltung seiner Klangwelten gehört zu seinen bevorzugten Kompositionsmethoden.

Kultivierte Revolte

Wer so streng mit sich selbst ist, der lässt auch den Kollegen keine Halbheiten durchgehen, und so entwickelte sich Pierre Boulez schon früh zu einem der schärfsten Kritiker jeglichen Stillstands in der Musik. In jungen Jahren ging das so weit, dass er Aufführungen konservativer Kollegen störte. Doch die Revolte nahm im Laufe der Jahre diskretere Formen an, ohne dass Boulez deshalb von seinem Radikalismus abgerückt wäre. Die Kompositionskunst, so sein Credo, darf nicht auf der Stelle treten. Sie gründet zwar in Traditionen. Sie lernt auch von ihnen, aber sie sollte sich darauf nicht ausruhen, sondern voranschreiten, neue Felder betreten, weiterschöpfen.

Rationaler Impressionist

Als dogmatischer Anti-Traditionalist kann Pierre Boulez indes nicht gelten. Er hat seine eigene Klangwelt in Auseinandersetzung mit der Tradition entwickelt, und wenngleich dies revolutionäre Neuanfänge mit einschloss, spielten dabei Größen wie Bach oder die französischen Impressionisten eine maßgebliche Rolle. Bei Bach beeindruckten ihn die Choralbearbeitungen, die er in kompositionstechnischer Hinsicht als vorbildlich empfand. Immer wieder mit bereits bekanntem Material zu spielen, es neu zu positionieren und umzugestalten – an dieser Art von probierender Kunst, die nach angemessenen Formen sucht, hat Pierre Boulez stets seine wahre Freude gehabt. An Debussy und Ravel schätzte er die gleitenden Klanggebilde, mit denen diese beiden Pioniere der Moderne harmonisches Neuland betraten. Das tat auch Boulez, und man kann seine ebenso experimentelle wie streng organisierte Klangkunst jetzt auf den CDs 15–19 seiner großen Geburtstagsedition nur staunend bewundern. Die Vielfalt seiner Klangexponate, in denen eine ganze Welt von Impressionen gespeichert zu sein scheint, ist überwältigend.

Experiment und Form

Ob in seinen Notations für Klavier, die von kühl in den Raum geworfenen Klangfetzen, über meditierende Momente, bis hin zu regelrechten Klangexplosionen reichen, oder in seinen eher fließender anmutenden Schöpfungen wie Pli selon Pli – stets hat man den Eindruck, dass Boulez seine Form gefunden hat. Er entdeckt natürliche Klangschönheiten. Seine Kompositionen machen Sinn. Und das ist es ja auch, was er an seinen großen Vorbildern des 20. Jahrhunderts so sehr schätzt: dass sie Neuland betraten und zugleich nach strengen Formen Ausschau hielten. Das eint alle Komponisten, die sich auf den 44 CDs der Edition jetzt versammelt finden, als da wären: Béla Bartók (CDs 1–8), Alban Berg (CDs 9–12), Harrison Birtwistle (CDs 13–14), Boulez selbst (CDs 15–19), Claude Debussy (CDs 20–21), György Ligeti (CDs 22–23), Olivier Messiaen (CDs 24–25), Maurice Ravel  (CDs 26–29), Arnold Schoenberg (CDs 30–33), Igor Stravinsky (CDs 34–39), Karol Szymanowski (CD 40), Edgard Varèse (CD 41) und Anton Webern  (CDs 42–44).

Musik des 20. Jahrhunderts – für Einsteiger und Kenner

Es stellt ein unschätzbares editorisches Verdienst dar, dass dieser Ideen- und Musikkosmos jetzt an einem Ort gebündelt vorliegt. Das ermöglicht eine Entdeckungsreise, die berückend schöne und erstaunliche Kompositionen zu Tage fördern wird. Erleichtert wird der Start dieser Reise durch die mustergültige Aufbereitung der Edition, die mit ihrem sorgfältig gestalteten Booklet auch Einsteigern ermöglicht, sich der Musik des 20. Jahrhunderts zu nähern. Besonders hervorzuheben ist hier der glänzende Überblicksessay von Wolfgang Stähr („Im Fahrwind der Moderne“), der eine wahre Hommage an Pierre Boulez ist. Wer die Musik der Moderne kennenlernen oder vertiefen möchte, der sollte deshalb unbedingt auf diese limitierte Edition zurückgreifen, die übrigens sämtliche Interpretationen von Musik aus dem 20. Jahrhundert enthält, die Pierre Boulez für die Deutsche Grammophon aufgenommen hat.

Boulez - 20th Century
PIERRE BOULEZ - 20TH CENTURY
2. Feb. 2015

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