Die Lust an schöner Musik hat ihn trotz früher Schicksalschläge nie verlassen. Mischa Maisky hat viel mitgemacht in seinem bewegten Leben. Einen Mann wie ihn, der mit Anfang 20 in ein sowjetisches Arbeitslager gesperrt wurde, wirft nichts so schnell aus der Bahn. An einer solchen Erfahrung kann man entweder verzweifeln oder man wächst an ihr. Mischa Maisky, der zu Beginn dieses Jahres seinen 70. Geburtstag feiern konnte, blickt auf einen ebenso stürmischen wie schillernden Werdegang zurück.
Dabei spielte die Musik eine nicht unwesentliche Rolle, hatte sich der junge Lette doch bereits vor seiner Inhaftierung erste Verdienste auf seinem Instrument erworben und bei seinem berühmten Lehrer Mstislaw Rostropowitsch ein breites Spektrum von Klangfarben des Violoncellos kennengelernt. Aber nicht nur die Musik formte ihn zu einer hoffnungsfrohen Seele. Auch die Begegnung mit wichtigen Menschen, die seinen Lebensweg säumten, stimmte ihn zuversichtlich.
Mischa Maisky, der sechs Kinder hat, betont die hohe Bedeutung der Familie, die neben der Musik zu seinen wichtigsten Lebensinhalten zählt. Die Neugierde seiner Kinder, ihr Ausdrucksverlangen und ihre Musikalität sind ein unversieglicher Inspirationsquell für ihn. Auf seinem neuen Album schlägt sich dies in ergreifender Weise nieder. Maisky hat das Werk seiner jüngsten Tochter Mila gewidmet, und mit seiner Tochter Lily am Klavier und seinem Sohn Sascha an der Geige musizieren gleich zwei seiner begabten Sprösslinge auf dem Album mit.
“Adagietto”, so der Titel des neuen Maisky-Albums, legt den Schwerpunkt auf langsame Sätze der Romantik. Mit stimmungsvollen Werken von Bach und Mozarts melancholischer Arie “Ach, ich fühl’s, es ist entschwunden” aus der “Zauberflöte”, für Cello und Klavier arrangiert von Maisky selbst, finden sich aber auch Perlen anderer Epochen in der überaus reizvollen Sammlung, die das gesangliche Moment des Cellos nach allen Regeln der Kunst entfaltet.
“Ich frage mich manchmal”, so Maisky im Booklet gegenüber Camille De Rijck, “ob sich in mir nicht irgendwo ein enttäuschter Sänger versteckt.” Das ist gut möglich, aber der “enttäuschte Sänger” begeistert sein Publikum so liedhaft mit dem Cello, dass seine gesanglichen Qualitäten keineswegs verloren zu gehen drohen. Maisky beweist mit seinem neuen Album einmal mehr, dass er mit seinem Instrument zu singen vermag. Dabei gelingt es ihm mit überraschenden Wendungen, auch die gesanglichen Momente mancher Klavierwerke originell herauszustellen.
Scriabins poetische Etüde in b-Moll oder Tschaikowskys melancholischen “Valse sentimentale” hört man bei Maisky mit ganz neuen Ohren. In den für Cello und Klavier arrangierten Opernarien des Albums ist der leidenschaftliche Cellist dann ganz in seinem kantablen Element. Besonders ergreifend: Saint-Saëns’ erhabene Arie “Mon cœur s’ouvre à ta voix” aus der Oper “Samson et Dalila”. Als absolutes Highlight des Albums darf das sanft fließende Adagietto aus Mahlers Sinfonie Nr. 5 gelten, das Maisky für Cello und Harfe arrangiert hat.
Wie er dem seufzenden Charakter dieses Orchestersatzes Ausdruck verleiht, ist einfach überwältigend. Die brillante Harfenistin Sophie Hallynck trägt mit ihrem zartfühlenden Spiel maßgeblich zum Gelingen dieser Interpretation bei. Eine gelungene Abrundung erfährt das Album schließlich durch attraktives Bonusmaterial: Mischa Maisky in gänsehautträchtigen Live-Mitschnitten, unter anderem mit Schumann und Brahms im Gepäck, an der Seite von Martha Argerich, Janine Jansen und Julian Rachlin.