Der Ruf einer der Besten seines Faches weltweit zu sein, begleitet den Cellisten Mischa Maisky bereits seit langem. 1948 in Riga in eine Musikerfamilie geboren, fiel seinen Eltern und Lehrern schon sehr früh das Talent des Jungen auf. Sein überbordendes Temperament und seine brillante Technik setzten auch Mstislaw Rostropowitsch in Erstaunen, der den 17 jährigen Maisky schließlich ans Moskauer Konservatorium holte. Für den war damit ein Traum in Erfüllung gegangen, denn Rostropowitsch unterrichtete ihn auch, wann immer er Zeit fand. “Rostropowitsch war für mich viel mehr als ein Lehrer. Er war fast wie ein zweiter Vater”, erinnert sich Mischa Maisky.
Von Rostropowitsch empfing der junge Maisky nicht nur entscheidende Impulse, die zum Ende der 60er Jahre zu wichtigen Erfolgen führten. Rostropowitsch vermittelte seinem jungen Schüler auch Unterricht bei einem anderen Giganten des Cellos jener Jahre: Gregor Piatigorsky. "Das Wichtigste, das ich von beiden gelernt habe: Das Cello ist nur ein Instrument, etwas, das uns hilft, das richtige Ziel zu erreichen“, sagt Mischa Maisky. Bis heute spielt er übrigens auf einem Cello von Domenico Montagnana aus dem 18. Jahrhundert, dessen Kauf ihm ein Bewunderer nach dem Debüt in der Carnegie Hall 1973 ermöglichte. “Das Ziel ist die Musik. Nicht umgekehrt: mit der Musik zeigen wollen, wie gut man Cello spielt.”
Es ist das Verdienst der opulenten Edition zum Schaffen Mischa Maiskys, deutlich zu machen, wie weit gesteckt, wie groß sein musikalischer Radius ist. Dass er sich die sechs Cello-Suiten Johann Sebastian Bachs gleich zweimal vornahm, ist bei seinem Entdeckungsdrang und seiner Spielfreude gar nicht verwunderlich. Und der Vergleich beider Aufnahmen aus den Jahren 1985 und 1999 zeugt von der Suche Maiskys nach Vollendung und musikalischer Wahrheit. “Wenn ich sage, dass Musik meine Religion ist, dann sind diese sechs Solo-Suiten meine Bibel”, sagte er anlässlich der Veröffentlichung seiner Aufnahme von 1999.
Natürlich enthält die Edition auch jene Aufnahme, mit der Maisky vor fast vierzig Jahren seine Zusammenarbeit mit Deutsche Grammophon begann und die gleich zu Beginn mit einem riesigen Erfolg startete: das Doppelkonzert Op. 102 von Johannes Brahms. Clara Schumann hatte es ein “Versöhnungswerk” genannt, beendete es doch einen langen Streit zwischen Brahms und seinem engsten und treuesten Freund, dem Geiger Joseph Joachim, der das Konzert zusammen mit dem Cellisten Robert Hausmann uraufführte. Mischa Maisky spielte das Doppelkonzert damals gemeinsam mit Gidon Kremer und den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Leonard Bernstein ein – eine für ihn beglückende und prägende Erfahrung, denn Bernstein sei für ihn die beeindruckendste musikalische Persönlichkeit, der er je begegnet sei, sagt Maisky rückblickend.
Mit ihm nahm er auch das “Cellokonzert h-Moll” Op. 104 von Antonin Dvořák – eines der berühmtesten – zum ersten Mal auf. Maisky erinnert sich, dass diese Aufnahme mehr von Bernstein geprägt war, der sich damals ebenfalls zum ersten Mal mit diesem Konzert beschäftigt hatte. 14 Jahre später spielte Maisky es erneut ein, dieses Mal mit Zubin Mehta und den Berliner Philharmonikern. Auch hier lohnt sich ein vergleichendes Hören. Ganz ähnlich wie bei Robert Schumanns “Cellokonzert a-Moll” Op. 129, dessen erste Aufnahme wiederum mit Leonard Bernstein entstand. Es war Martha Argerich, die mit ihm so inspirierend über diese Aufnahme sprach, dass er auch hier beschloss, sich des Stückes ein weiteres Mal anzunehmen, dieses Mal mit dem Orpheus Chamber Orchestra. Die wunderbare Zusammenarbeit zwischen Maisky und Argerich dokumentiert das in der Box enthaltene Schumann-Album auch etwa bei den “Fantasiestücken” Op. 73, den “3 Romanzen” Op. 94 oder den “Märchenbildern” Op. 113 in der Bearbeitung für Cello und Klavier.
Wie sehr sich Mischa Maisky auch zur Romantik hingezogen fühlt – er widmet sich dem Cellorepertoire in seinem ganzen Umfang. Von Vivaldi über Haydn, Beethoven und Schubert, bis hin zur Musik des 20. Jahrhunderts: bis zu Strauss, Elgar, Messiaen, natürlich auch Schostakowitsch und Prokofjew. Und es sind nicht nur die großen Cellokonzerte, die Maiskys Repertoire bestimmen: Die Box enthält auch die ungeheure Bandbreite an Kammermusik, bei der Maisky viele der größten Musiker zur Seite standen, darunter Lang Lang, Oleg Weisenberg, Gidon Kremer, Tabea Zimmermann. Ein Highlight ist auch seine Aufnahme des Preludios zu Villa Lobos “Bachianas Brasileiras Nr. 1”: Maisky spielte alle Stimmen selbst, mehrspurig und insgesamt achtmal. Zudem enthält die Box noch einige internationale Erstveröffentlichungen, etwa von Werken des japanischen Komponisten Tamezo Narita.
Die jetzt vorliegende Box gleicht dem Logbuch zu einem Streifzug durch ein bewegtes wie bewegendes Musikerleben.