»Mirga Gražinytė-Tyla … führt den Taktstock mit einer Autorität und einem Feingefühl, die ihre Generation überstrahlen; ihr Gespür für Architektur, Textur, Dramaturgie und Orchestrierung ist beeindruckend, und die Wiener Philharmoniker spielen für sie mit außerordentlicher Disziplin und Hingabe. Sie hat sich trotz ihrer noch jungen Karriere bereits als führende Weinberg-Interpretin profiliert, und ihre Leistung bei dieser Produktion ist überwältigend. ★★★★★«
Die Financial Times über Weinbergs Idiot bei den Salzburger Festspielen 2024
Mirga Gražinytė-Tyla ist bekannt für ihre präzisen Gesten, ihre Dynamik, ihre mutige Programmgestaltung und zählt zu den gefragtesten Gastdirigentinnen unserer Zeit. Während die litauische Dirigentin ihre langjährige enge Verbindung zum City of Birmingham Symphony Orchestra als Associate Artist des Ensembles fortsetzt, arbeitet sie regelmäßig mit den weltweit renommiertesten Orchestern an einem facettenreichen Repertoire, sowohl im Konzertsaal als auch im Opernhaus. Nach ihrem Triumph bei den Salzburger Festspielen 2024 mit einer Neuproduktion von Der Idiot des lange unterschätzten polnischen Komponisten Mieczysław Weinberg wird sie in der Saison 2024–25 als erste Frau ein Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker leiten.
2019 unterzeichnete die litauische Dirigentin einen Exklusivvertrag mit Deutsche Grammophon. Ihr erstes Album für das Label bot Weinbergs Symphonie Nr. 2 für Streichorchester und die Symphonie Nr. 21 »Kaddish«. Die Aufnahme mit Gidon Kremer, dem CBSO und der Kremerata Baltica erschien zum 100. Geburtstag des Komponisten im Mai 2019. Das von Publikum und Kritikern gefeierte Album erhielt den Deutschen Schallplattenpreis, wurde von Gramophone zur Aufnahme des Jahres gewählt und für einen GRAMMY® nominiert und trug Gražinytė-Tyla 2020 den Opus Klassik als Dirigentin des Jahres ein.
Für ihr zweites Album spielte sie – erneut mit der Kremerata Baltica – Midsummer Song und De profundis ihrer Landsmännin Raminta Šerkšnytė ein. Es wurde im November 2019 veröffentlicht, begleitet von der DVD Going for the Impossible, einem dokumentarischen Porträt von Mirga Gražinytė-Tyla.
Es folgte The British Project mit Aufnahmen des CBSO von Werken britischer Komponisten anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Orchesters: Brittens Sinfonia da Requiem und die symphonische Suite aus Waltons Troilus und Cressida erschienen im Oktober 2020 bzw. März 2021. Das vollständige Album, auf dem diese beiden Werke eingerahmt werden von Elgars Sospiri und Vaughan Williams’ Fantasia on a Theme by Thomas Tallis kam dann im Juli 2021 heraus.
Im September 2022 setzte Gražinytė-Tyla ihre Weinberg-Mission fort, um dem zu Unrecht übergangenen Komponisten breitere Aufmerksamkeit zu verschaffen. Auf Weinberg: Symphonies Nos. 3 & 7 and Flute Concerto No. 1 spielt die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen mit dem Solisten Kirill Gerstein (Cembalo) die Symphonie Nr. 7, das CBSO führt das Flötenkonzert mit der Solistin Marie-Christine Zupancic sowie die Symphonie Nr. 3 auf.
Ihr aktuelles Album stellt Weinbergs erste Oper The Passenger vor. Gražinytė-Tyla dirigierte die »erschütternde Holocaust-Oper« (The Critic) im Frühjahr 2024 im Teatro Real in Madrid, als Co-Produktion mit den Bregenzer Festspielen, dem Teatr Wielki und der English National Opera. Zu erleben sind Orchester und Chor des Teatro Real sowie die Sopranistin Amanda Majeski, die Mezzosopranistin Daveda Karanas, der Tenor Nikolai Schukoff und der Bariton Gyula Orendt. Das Album wurde im Januar 2025 digital veröffentlicht, der Mitschnitt der Produktion ist auf STAGE+ zu sehen.
Zu ihren jüngsten Highlights auf dem Podium gehören – neben den Erfolgen mit Weinbergs Opern in Madrid und Salzburg – ihre Debüts mit dem New York Philharmonic im Oktober 2023 (»die Art von Debüt, bei der man sofort an ihre Zukunft mit den Philharmonikern denkt« – The New York Times) und dem Gewandhausorchester Leipzig im November 2024.
Auf ihrem Kalender stehen nun Konzerte mit den Münchner Philharmonikern in Münchens Isarphilharmonie, dem Wiener Musikverein und Budapests Müpa (März/April 2025); ihre vier Konzerte mit den Wiener Philharmonikern und Yuja Wang im Musikverein (Mai); Auftritte mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France in Paris, Linz und Wien (Mai); sowie ein Konzert mit Werken von Brahms und Weinberg mit dem CBSO in Birmingham (Juni).
Mirga Gražinytė-Tyla wurde in Vilnius in eine Musikerfamilie geboren. Ihr Vater, ein Chorleiter, und ihre Mutter, eine Pianistin, unterstützten ihren instinktiven Wunsch aufzutreten. Mirgas Begabung wurde durch Musikunterricht in ihrer Kindheit gefördert und weiterentwickelt. Sie studierte Chorleitung und bildende Kunst in ihrer Heimatstadt an der renommierten Nationalen Mikalojus-Konstantinas-Čiurlionis-Kunstschule und dirigierte ihr erstes Chorkonzert mit 16 Jahren.
Ein Umzug nach Österreich und ein Platz an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz eröffneten Mirga Gražinytė-Tyla die Möglichkeit, ihren musikalischen Horizont zu erweitern. Sie freute sich über die Perspektive, künftig Orchester zu leiten, und ging zum Studium an das Konservatorium in Bologna, die Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« in Leipzig und die Zürcher Hochschule der Künste. 2009 wurde sie vom Deutschen Dirigentenforum aufgenommen, 2011 wurde sie 2. Kapellmeisterin am Theater Heidelberg und 2012 erfolgte ihr internationaler Durchbruch, als sie den begehrten Salzburg Young Conductors Award gewann und dann mit dem Gustav Mahler Jugendorchester ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen gab. Im Jahr darauf wurde sie 1. Kapellmeisterin am Konzert Theater Bern, und von 2015 bis 2017 war sie Musikdirektorin am Salzburger Landestheater. In der Saison 2012/13 war sie Gustavo Dudamel Fellow des Los Angeles Philharmonic Orchestra, arbeitete dann zwei Spielzeiten hindurch als Assistant Conductor des Orchesters und 2016/17 als Associate Conductor.
Das CBSO erkannte Mirga Gražinytė-Tylas Ausnahmetalent sofort. Nach ihrem ersten gemeinsamen Konzert wurde sie erneut eingeladen, und man bot ihr in der Nachfolge von Sir Simon Rattle, Sakari Oramo und Andris Nelsons den Posten der Musikdirektorin an. Sie begann ihre Amtszeit im September 2016. Innovative Programmgestaltung und intensive, aufschlussreiche Aufführungen wurden zum Markenzeichen ihrer Arbeit mit dem CBSO, wobei ihr Repertoire von Haydn und Mozart über Debussy, Mahler und Schostakowitsch bis zu neuen Werken von beispielsweise Hans Abrahamsen, Jörg Widman und Raminta Šerkšnytė reicht.
Dem CBSO verbunden blieb sie in der Saison 2022/23 als Erste Gastdirigentin und ab Herbst 2023 als Associate Artist. 2019 würdigte die Royal Philharmonic Society sie mit dem Conductor Award, in der Begründung wies die Jury auf ihre hingebungsvolle Arbeit in Birmingham hin: »Sie bringt ihre eigene Vision ein, während sie eine respektvolle, für beide Seiten fruchtbare Partnerschaft mit den Musikern gestaltet …; sich mutig und voller Energie in ein riesiges, nicht alltägliches Repertoire stürzt; und die Stadt auch über den Konzertsaal hinaus in ihren Bann zieht.«
3/2025