Max Richter hat Teile seines achteinhalbstündigen Bestsellers SLEEP auf dessen grundlegende Strukturen reduziert und drei erweiterte Tracks für Klavier solo geschaffen
Am Weltschlaftag wurden die Stücke auf einer neuen EP veröffentlicht
»Das Klavier öffnet für mich einen Raum, an dem ich tagträumen kann, denn in gewisser Weise ist das Komponieren auch ein Tagtraum. Es ist der Versuch, anderen Aspekten deines Geistes zu begegnen, Dingen, derer man sich vielleicht weniger bewusst ist.«
Max Richter
Max Richters Album SLEEP aus dem Jahr 2015 ist ein musikalisches Phänomen. Fast zwei Milliarden Streams hat es bis heute erreicht. Darbietungen des achteinhalbstündigen Originals, das neue Wege der Interaktion zwischen Musik und Bewusstsein erforscht, füllten die renommiertesten Konzertsäle bis auf den letzten Platz. Die App SLEEP by Max Richter, mit exklusiven neuen Auszügen aus der preisgekrönten Komposition sowie weiterer Musik aus Richters Repertoire, wurde bis dato fast 440 000 Mal heruntergeladen.
»SLEEP … entwickelt sich zu einem Stück von beträchtlicher emotionaler Tragweite.
Es wird zu einer Meditation über unser Lebendigsein, unser Weiteratmen,
während die Welt in unserer Abwesenheit rumort«
The Quietus, über die Originalkomposition
2023 interpretierte Richter für SLEEP: Tranquility Base einen Teil der Komposition aus elektronischer Perspektive neu interpretiert. Für seine aktuelle EP, SLEEP: Piano Edition, konzentrierte er sich ganz auf sein eigenes Instrument und schuf drei erweiterte Tracks für Klavier solo. Die EP mit Interpretationen von Richter selbst wurde am Weltschlaftag, dem 15. März 2024 digital herausgebracht. Gekürzte Bearbeitungen jedes Titels kamen vorher heraus – Dream 0 erschien am 2. Februar, Non-Eternal folgte am 16. Februar und Return 2 am 12. März.
Für Richter ist das Klavier wie ein Skizzenbuch, ein Ausgangspunkt neuer kreativer Unternehmungen. Unbewusste Ideen dürfen an die Oberfläche treten, wenn er mit dem Komponieren beginnt. In SLEEP spielt das Instrument eine Schlüsselrolle: »Eines der beiden Hauptthemen ist eine sehr langsame, pulsierende Klaviermusik, das Instrument ist der wichtigste Akteur in diesem Stück.« Es lag daher nahe, sich noch einmal über die Tastatur zu beugen und bestimmte Abschnitte des Werks auf deren grundlegende Strukturen zu reduzieren.
Nahe lag es für den Musiker auch, sich mit einem existierenden Werk erneut zu befassen: »Ich glaube nicht wirklich an vollendete Kunstwerke«, sagt Richter. »Mich interessiert, dass die Musik lebendig bleibt, dass sie nicht erstarrt, und was das Publikum in ein Werk einbringt. Wenn wir eine Skulptur betrachten, verändert sich unsere Sichtweise, wenn wir um sie herumgehen. Wir entdecken verschiedene Blickwinkel und Aspekte. Vielleicht zeigen sich hier in gewisser Weise auch verschiedene Aspekte von SLEEP.«
Dream 0 ist das erste Stück, das auf SLEEP: Piano Edition aus neuer Perspektive zu erleben ist. Es basiert auf den ursprünglichen Vocals und ist ein »einfaches Klavierarrangement, aber für Klavierduo, also mit zwei Parts«. Über Non-Eternal sagt Richter hingegen: »Um es in einem neuen Licht erscheinen zu lassen, habe ich hier die Farbpalette des Klaviers erweitert, indem ich Tape-Delays und noch anderes eingearbeitet habe.« Für Return 2, das dritte und letzte Stück, hat er einen Teil der Musik bearbeitet, den er ursprünglich für Streicher geschrieben hatte. »Ich mag das Stück sehr«, sagt er. »Deshalb dachte ich, es wäre schön für mich, wenn ich die Musik spiele.«
SLEEP: Piano Edition hat die gleichen räumlichen und immersiven Qualitäten wie das breitformatige Hauptwerk. »SLEEP ist ein Stück, in dem es darum geht, einen Ort zum Innehalten zu finden, einen Ort zum Ausruhen«, sagt der Komponist. »Denn obgleich die Welt sehr aufregend ist, so ist sie doch auch sehr anstrengend, vor allem auf psychologischer Ebene, unser Leben ist durch nie endende Nachrichten, soziale Medien und das Internet völlig übersättigt. Wir werden geradezu heimgesucht von ökologischen, sozialen und politischen Problemen. Ein klarer Geist ist natürlich der beste Weg, um damit umzugehen. Wir müssen Wege finden, um unseren Geist zur Ruhe zu bringen. SLEEP ist ein solcher Weg.«