Augustin Dumay erinnert sich mit Stolz: “Dies ist der Schlusspunkt einer zwölfjährigen Reise. Bei unserem ersten Zusammentreffen spielten wie Beethovens ‘Frühlings-Sonate’. Wir spielten sie, ohne ein Wort zu sagen - es war wie eine erste Probe -, und als wir das Stück beendet hatten schauten wir uns an, lächelten und wussten, dass wir eben etwas sehr Seltenes erlebt hatten”. Die Magie des Zusammenspiels zwischen Dumay und der Pianistin Maria João Pires blieb auch bei den folgenden Treffen erhalten. So beschlossen sie, alle zehn Beethoven-Sonaten gemeinsam festzuhalten.
Es gehörte zum guten Ton, beim Fürsten Lichnowsky die Kammermusikabende Beethovens zu besuchen. Der junger Hofmusiker aus Bonn hatte es nach seiner Ankunft in der Musikmetropole Wien 1792 schnell geschafft, sich als Klaviervirtuose und Lebemann in der höfischen Gesellschaft zu etablieren. Es waren unbekümmerte Jahre für den Mitzwanziger. Mäzene hielten ihm der Rücken frei, Verleger kauften seine Werke für ansehnliche Preise. Er war en vogue, konnte komponieren, wann er wollte und eigentlich auch was er wollte. An seinen Bonner Freund Franz Wegeler schrieb er im Juni 1801: “Meine Komposizionen tragen mir viel ein, und ich kann sagen, dass ich mehr Bestellungen habe, als fast möglich ist, dass ich machen kann. Auch habe ich auf jede Sache 6, 7 Verleger und noch mehr; wenn ich’s mir angelegen sein lassen will, man accordiert nicht mehr mit mir, ich fordere und man zahlt”.
Bis auf erste Anzeichen beginnender Taubheit ging es Beethoven so gut wie wenig Komponisten seiner Zeit. Er revanchierte sich bei seinen Gönnern, indem er ihnen zahlreiche Werke widmete, und Musik schrieb, die in den Salons der Adeligen aufgeführt werden konnten. So entstanden acht von zehn Violinsonaten während seines ersten Wiener Jahrzehnts, als Kabinettstückchen für Konzertabende, die Beethoven in der Regel auch gemeinsam mit Geigenvirtuosen wie George Bridgetower aufführte. Beethoven hatte die Praxis vor Augen. Seine Sonaten wurden im Hinblick auf Konzerte geschrieben und zeichnen sich deshalb bis heute durch besondere Anforderungen an die Interpreten aus: “Jede dieser Sonaten ist eine Welt für sich”, meint Augustin Dumay, “jede entstand an unterschiedlichen Punkten von Beethovens Leben. In der ersten gibt es Spuren von Mozart, die letzte hat einen reinen, klaren Charakter”.
Und Maria João Pires fügt hinzu: “Meiner Meinung nach geht es bei den ersten fünf Sonaten um die äußere Welt, die restlichen Sonaten beschäftigen sich mehr und mehr mit der inneren Welt. Nummer 10 bewegt sich in einem freieren Raum, einem geistigen Raum außerhalb des Körpers. Das ist auch das Stück, das ich am liebsten spiele. Nummer 9 - die ‘Kreutzer-Sonate’ - empfinde ich wie Beethovens letzten Kampf mit der Welt; das Stück ist für mich körperlich sehr anstrengend”. So hat es denn auch vom Dezember 1997 bis zum Juli 2002 gedauert, bis Dumay und Pires alle zehn Werke zu ihrer Zufriedenheit eingespielt hatten. Man merkt ihnen die Sorgfalt an. Nur wenigen Künstlern gelingt über lange Strecken hinweg die Entwicklung solcher interpretatorischer Harmonie und musikalischer Deutlichkeit. Hier ist eine wichtige Fusion der persönlichen Schwingungen gelungen, die sich über Beethoven hinweg mitteilt. Für Pires ist klar: “Ohne Augustin könnte ich nie mein Bestes geben, und genauso geht es ihm mit mir. Unsere Beziehung basiert auf der Musik und auf einer sehr guten, gesunden Freundschaft”. Eben das hört und spürt man.