Ab dem Moment, in dem wir das sprichwörtliche Licht der Welt erblicken, spielen Licht und Schatten, Tag und Nacht eine elementare Rolle in unserem Leben. Diesem Phänomen spürt die norwegische Geigerin Mari Samuelsen eindrucksvoll auf ihrem neuen Album nach, das unter dem Titel “LYS” – norwegisch für „Licht“ – ganz unterschiedliche Nuancen des in Klang gegossenen Lichts erkundet. Zu hören sind 14 Werke von 13 Komponistinnen, die sich über die Zeiten hinweg mit der Bedeutung des Lichts für das menschliche Leben beschäftigt haben.
“Wir Menschen kennen so viele Momente des Lichts, wie wir es empfinden, in guten und in schlechten Zeiten”, sagt Mari Samuelsen, die dabei besonders beeindruckt, wie unmittelbar, intuitiv und stark sich das Licht auf die Gefühle und Stimmungen der Menschen auswirkt. Dabei gleichen die subtilen Abstufungen des Lichts und der Dunkelheit nach Erfahrung der Musikerin einer großen mystischen Naturgewalt, die die Menschen tief zu bewegen vermag. All jene Facetten des Lichts wollte Samuelsen nun auf ihrem neuen Album zum Klingen bringen und ergründen. “Vielleicht liegt es an meinem Leben im Norden oder am Älterwerden, aber die Vielfalt des Lichts berührt mich heute mehr denn je”, so die Musikerin.
Als musikalische Deuterinnen des Lichts hat Mari Samuelsen ganz unterschiedliche Komponistinnen ausgewählt, wobei sie mit den zeitgenössischen Schöpferinnen in einem engen Austausch stand. Das daraus entstandene Klangmosaik ist reich an Dynamiken und lässt Musik aus ganz unterschiedlichen Epochen und Stilen zu einem farbenreichen Ganzen verschmelzen. So ist ein Arrangement des Beyoncé-Hits “Halo” ebenso zu hören wie Tonkunst aus dem 12. Jahrhundert der Benediktinerin Hildegard von Bingen. Sphärisch und von transzendenter Schönheit getragen erklingen Hania Ranis “La Luce”, markant und dynamisch Anna Merediths “Midi”, berührend melancholisch das Stück “Bær” von Hildur Guðnadóttir und mit charmanter Grandesse das Werk “Sol Levante” von Laura Masotto.
Zudem finden sich klassische zeitgenössische Komponistinnen wie Lera Auerbach, Meredi, Hannah Peel, Caroline Shaw und Dobrinka Tabakova auf dem facettenreichen Album wieder, ebenso wie Kompositionen von Samuelsens Streicherkolleginnen Margaret Hermant und Clarice Jensen, die mit ihrem Stück “Love Abounds In Everything” eine überzeugende zeitgenössische Antwort auf den Choral “O vis eternitatis” von Hildegard von Bingen geben.
Für Samuelsen war es „sowohl aufregend als auch ein wenig riskant, Stücke zusammenzubringen, die aus verschiedenen Zeiten, Orten und Genres stammen“. Gleichzeitig seien es genau solche Projekte, die sie am meisten interessieren, so die Künstlerin. Das derart entstandene Album sollen die Hörer im schönsten Falle nicht als Aneinanderreihung von einzelnen Sätzen erleben, sondern als zusammenhängende Geschichte, die einer klangvollen Reise ins Licht gleicht.
Mit ihrem neuen Album “LYS”, dem zweiten Solo-Album der Künstlerin bei Deutsche Grammophon, unterstreicht Mari Samuelsen ein weiteres Mal ihren originellen und offenen Zugang zur Musik und ihr feines Gespür für das Zusammenspiel zwischen Werken unterschiedlichster Couleur. Dabei bilden die Werke auf ihrem Album ein ebenso vielfältiges wie elementar berührendes Klangbild ab, das die zahlreichen Schattierungen des Lichts faszinierende widerspiegelt. Mal meditativ, mal hoch energetisch, mal geheimnisvoll schimmernd, mal verspielt und hell wird das Licht in den eindringlichen Interpretationen Samuelsens schließlich als wesentliches Element des Lebens erfahrbar.