Vor dreißig Jahren, am 14. Oktober 1990, erlag der US-amerikanische Komponist, Dirigent und Pianist Leonard Bernstein in New York City im Alter von 72 Jahren einem akuten Herzversagen. Der schillernde Künstler litt an einer Lungen- und Krebserkrankung. Dennoch war der wie besessene für große Musik und für sein Publikum einstehende Tausendsassa, der aufgrund seiner vielseitigen musikalischen Fähigkeiten als eines der letzten Universalgenies galt, noch knapp zwei Monate vor seinem Tod auf der Bühne zu erleben gewesen.
Leonard “Lenny” Bernstein hatte als Dirigent Mitte der vierziger Jahren in den USA Bekanntheit erlangt. Wenig später gelang ihm der internationale Durchbruch. In den 1960er Jahren begann er den europäischen Musikbetrieb aufzuwirbeln. Klassische Musik galt damals auf dem alten Kontinent noch als etwas Erhabenes, das vor dem Kult der Unterhaltsamkeit beschützt werden muss. Lenny, Glas Whisky in der Hand, Zigarette im Mund und stets auf Du und Du mit seinen Künstlerkollegen, ließ indes keinerlei Berührungsängste mit der Populärkultur des Broadways oder Hollywoods erkennen. Er sprengte alle Grenzen. In Fernsehauftritten wandte er sich direkt an ein Massenpublikum, dem er zum Beispiel ausgiebig die dynamischen Probleme von Bachs Concerto in d-Moll (BWV 1052) erklärte. Dass klassische Musik heute wie selbstverständlich mit Unterhaltsamkeit in Verbindung gebracht wird, ist nur eines der vielen Verdienste von Leonard Bernstein, der aus der Neuen Welt eine charmante Lockerheit mit nach Europa brachte.
Nach seinem Tod wurde es zunächst still um Bernstein. Von seinen eigenen Kompositionen blieb vor allem die Musik zu dem Musical West Side Story von Arthur Laurents in Erinnerung. Aus seiner Diskographie stachen furiose Interpretationen von Mahlers Sinfonien hervor. Dass er noch viel mehr zu bieten hat, zeigte sich nach seinem 100. Geburtstag im Jahr 2018, als auf dem Musikmarkt eine kleine Bernstein-Renaissance einsetzte.
Wie reichhaltig sein Schaffen als Komponist war, dokumentierte die 2018 bei Deutsche Grammophon erschienene Gesamtausgabe, die erstmals alle veröffentlichten Werke von Leonard Bernstein an einem Ort zum Klingen brachte. Im selben Jahr erschien “Leonard Bernstein – Complete Recordings on DG & Decca”, eine den Dirigenten würdigende, überwältigende Edition mit zahllosen Referenzaufnahmen und einem enorm breit gefächerten Repertoire. Last but not least sei an eine Edition erinnert, die 2017 in den Handel kam und deren audiophiles Niveau Begeisterung hervorrief: Bernsteins legendäre Einspielung sämtlicher Sinfonien von Beethoven mit den Wiener Philharmonikern in dem akribischen Remastering von Everett Porter, dem angesehenen Produzenten und Toningenieur der Polyhymnia Studios.