Als die aufgeklärten Philosophen die neuen Freiheit des Menschen gegenüber den Zwängen der Vergangenheit ausriefen, hatte das auch Konsequenzen für die Musik. Komponisten entdeckten Instrumente neu, die bislang im Ensemble ein kaum beachtetes Klangdasein fristeten. Das Cello zum Beispiel, mit Ausnahme von Bachs lange vergessenen Solo-Suiten als Orchesterfarbe gebraucht, erreichte mit Komponisten wie François Couperin und Luigi Boccherini ungeahnte künstlerische Höhen. Lian Wang ist ihnen auf der Spur.
Luigi Boccherini war ein Workaholic. Allein für das Cello komponierte er 38 Sonaten, 113 Streichquartette – mit der seit Mozart verschmähten Doppelbesetzung der Celli – und außerdem ein Dutzend Konzerte für das Instrument. Er ist auf diese Weise einer der Ahnherrn der instrumentalen Emanzipation des bis dato kaum beachteten großen Bruders von Geige und Bratsche. Allerdings konnte er nichts dagegen tun, dass seine Nachwelt die Werke in zum Teil nur verstümmelten oder unvollständigen Varianten kennen lernte. Das große “Cello-Konzert D-Dur” zum Beispiel kannte man seit den ausgehenden 19.jahrhundert vor allem in der Potpourriversion von Friedrich Grützmacher, der es für den bürgerlichen Salongeschmack mit einer Sonate und zwei weiteren Cellokonzerten verschnitt. Matthias Georg Monn (1717–1750) wiederum ist kaum noch jemandem ein Begriff, obwohl er einer der Wegbereiter der Wiener Klassik war. Um 1740 komponierte der Chorherr die erste viersätzige Sinfonie der Musikgeschichte mit Menuett als drittem Satz, eine Form, die bald darauf regen Anklang fand. Allerdings verstand er sich wohl wenig auf die Vermarktung seiner Werke und schien von schwächliche Statur und düsterem Gemüt gewesen zu sein. Der Überlieferung nach jedenfalls sah man ihn kaum lachen, dafür in der Regel in schwarzen Gewändern durch Wien ziehen. Ein Meister der hochklassischen Sonatenkunst war er trotzdem und sein farbiges und ornamentreiches “Cello-Konzert, in g-moll” ist eines der reizvollsten frühen Werken der Gattung.
Für den chinesischen Cellisten Lian Wang gehören Monns Konzert und das Pendant in B-Dur von Boccherini zu den Eckpfeilern seiner barocken Darstellungswelt. Schon als Kind am Konservatorium von Shanghai interessierte er sich nachhaltig für die frühen Werke der europäischen Konzertkultur. Nachdem er Isaac Stern kennen gelernt hatte und von ihm ermutigt an die Yale School of Music zum Studium wechselte, schaffte er während der neunziger Jahre den Durchbruch als Solist. Wang arbeitete von Claudio Abbado bis Ricchardo Chailly mit zahlreichen großen Dirigenten der Gegenwart und hat sich selbst als behutsamer Virtuose mit voluminös warmem Ton einen Namen gemacht. Mit “The Baroque Album” erfüllt er sich nun zusammen mit der Camerata Salzburg den Traum, einmal musikalisch durch die solistische Frühzeit seines Instrumentes zu schlendern. Boccherini, Monn, die bereits von Pablo Casals so verehrten “Pièces en concert” von François Couperin und eine “Toccata” von Girolamo Frescobaldi verbinden sich zu einem reizvoll unterhaltsamen und zugleich künstlerisch anspruchsvollen Programm, das sich jenseits der gestalterischen Repertoireklischees der reichhaltigen Musik des 17. und 18.Jahrhunderts widmet. Ungewöhnlich, weil mit Vorbedacht ausgewählt und mit Witz gespielt.