Hilary Hahns neues Album ist eine Hommage an das reiche kulturelle Erbe einer Stadt, die im Werdegang der amerikanischen Geigerin von großer Bedeutung ist. Auf PARIS, das bei Deutsche Grammophon am 5. März 2021 erscheint, setzt sie ihre erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France und dessen Musikdirektor Mikko Franck fort. Die Aufnahme der dreifachen GRAMMY-Preisträgerin bietet die Welt-Ersteinspielung von Einojuhani Rautavaaras Deux Sérénades, die von Mikko Franck in Auftrag gegeben wurden. Hinzu kommen Poème von Ernest Chausson und das Violinkonzert Nr. 1 von Sergei Prokofjew, 1923 in der französischen Hauptstadt uraufgeführt.
»Auf PARIS geht es um Ausdruck«, sagt Hahn, »um Emotionen, um das Gefühl, mit einer Stadt und einem kulturellen Schnittpunkt auf eine Weise verbunden zu sein, die Interpret und Hörer inspiriert. Auf dem Album wird die Stadt auf vielfältige Weise gespiegelt. Aber sie steht auch in Bezug zum Verlauf meiner Karriere. In Paris bin ich schon als Teenager aufgetreten. Und wenn ich dort mit einem Orchester gespielt habe, war es fast ausnahmslos das Orchestre Philharmonique de Radio France.«
Die erste Idee zu PARIS geht auf Hahns Zeit als artist-in-residence beim OPRF während der Saison 2018/19 zurück. Nach einer Aufführung von Rautavaaras Violinkonzert mit Mikko Franck im Jahr 2014 fragte sie den Dirigenten, ob sein Freund und Landsmann nicht noch ein Konzert schreiben könne. Franck und Rautavaara diskutierten Serenaden, doch die schlechte Gesundheit des Komponisten durchkreuzte die Gedanken. Rautavaara starb im Juli 2016 mit 87 Jahren. Zu Francks Überraschung zeigte ihm Rautavaaras Witwe später das Manuskript einer fast fertigen herrlich elegischen Komposition für Violine und Orchester.
»Mikko verstand sofort, dass das unser Stück war«, sagt Hilary Hahn. Und das OPRF beauftragte den berühmten finnischen Komponisten Kalevi Aho, einen Schüler Rautavaaras, die Orchestrierung zu vollenden. »Die vorliegende Aufnahme entstand im Februar 2019 bei der Welturaufführung dieses Werks in einem bewegenden Konzert, das Rautavaaras Œuvre zum letzten Mal um einen neuen Eintrag bereicherte. Nachdem der letzte Ton verklungen war, hob Mikko die Partitur zum Himmel – als Zeichen, dass Rautavaaras Geist in seiner Musik noch gegenwärtig war.«
Neben Rautavaaras Deux Sérénades entschied sich die Geigerin in ihrer Werkauswahl für das Album auch für Stücke aus der Pariser Musikgeschichte und spielte Chaussons Poème ein, das sie ein »grundsätzlich expressives Werk« voller markanter Kontraste nennt, »eine Vorahnung – Chaussons persönliches Requiem. Aber es ist auch Ausdruck von so viel Freude. Es malt die feinsten Nuancen und die großzügigsten Gesten«, sagt Hahn.
Poème wurde durch eine Erzählung von Iwan Turgenew angeregt, der in seinen späteren Jahren lange in der Nähe von Paris lebte. Die Musik enthält jedoch keinerlei literarisches Programm, vielmehr bewegt sie sich zwischen Melancholie und leidenschaftlichem Ausbruch. Die Pariser Erstaufführung im April 1897 mit dem belgischen Geigenvirtuosen Eugène Ysaÿe wurde begeistert gefeiert. Nur zwei Jahre darauf kam Chausson bei einem Fahrradunfall ums Leben.
Prokofjew begann die Arbeit an seinem Ersten Violinkonzert in der Anfangszeit des Ersten Weltkriegs. Kurz vor der russischen Oktoberrevolution wandte er sich 1917 der Partitur erneut zu und vollendete das Werk, bevor er ins Exil in New York und später in Paris ging. Die Uraufführung des Konzerts fand erst im Oktober 1923 in der Pariser Opéra statt.
»Es ist ein Konzert, das mit allen Regeln bricht«, sagt Hahn. »Es gehört zu den Stücken, die ich am liebsten spiele. Manchmal fühle ich mich dabei wie auf der Rennbahn, in anderen Augenblicken kommt es mir vor, als schwebe ich frei im Äther. Es ist quecksilbrig, verändert sich ständig und hält einen damit in Atem als Hörer und Interpret.«
PARIS spiegelt nicht nur Hilary Hahns langjährige Verbundenheit mit der französischen Metropole wider, sondern fängt auch den einzigartigen Geist künstlerischer Zusammenarbeit ein, der sie mit dem OPRF und Mikko Franck verbindet. Musizieren sie gemeinsam, so Hahn, »fließen Töne dahin wie in einem Gespräch, Klangfarben ergänzen einander im musikalischen Zusammenhang, Gefühle werden verinnerlicht und zum Ausdruck gebracht, ohne übertrieben zu wirken«.