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Hilary Hahn kündigt ein neues Album an: Eugène Ysaÿes sechs Solosonaten für Violine, die Einspielung erscheint am 14. Juli 2023 bei Deutsche Grammophon

Hilary Hahn News
© Chris Lee
12.05.2023

Die dreifache GRAMMY®-Preisträgerin Hilary Hahn legt ihr neuestes Album bei Deutsche Grammophon vor: eine Einspielung von Eugène Ysaÿes sechs Sonaten für Violine solo, op. 27. Sie erscheint am 14. Juli 2023 auf CD, als Doppel-LP und in digitalen Formaten, darunter auch Dolby-Atmos. Die Sonaten, ab 1923 komponiert, sind virtuose Meisterwerke des Violinrepertoires. Hahns Interpretationen, die im vergangenen Herbst im Vorfeld des hundertjährigen Jubiläums ihrer Entstehung aufgenommen wurden, verorten die Geigerin als direkte musikalische Nachfahrin von Ysaÿe selbst.

»Bach inspirierte Eugène Ysaÿe, diese sechs Sonaten zu schreiben – eine Zäsur in der Entwicklung der Geige. Mich wiederum inspirierte Ysaÿe, mich als Künstlerin kontinuierlich weiterzuentwickeln, mein ganzes Selbst in diese Musik zu stecken und mich den Stücken dieser Aufnahme mit Leib und Seele zu verschreiben«, sagt Hahn. »Die Klänge, die Sie hören, sind nicht nur ein Widerhall der Noten auf dem Papier, sondern auch Echo eines jahrhundertealten künstlerischen Erbes, das mich dorthin gebracht hat, wo ich heute stehe – hier auf meinen eigenen zwei Beinen, mit meinen zwei Händen, einer Geige, einem Bogen und vier Saiten.«

Der begnadete Geiger, Dirigent und Komponist Eugène Ysaÿe gilt weithin als erster moderner Violinist. Als Interpret übernahm und definierte er die Techniken seiner Zeit und revolutionierte das sich wechselseitig verfeinernde Zusammenspiel von Virtuosität und Ausdruckskraft; allein sein Rubato übertraf jeden Könner seiner Kunst. Als Vorreiter neuer Musik wurden Ysaÿe von Größen wie Franck, Debussy, Saint-Saëns und Chausson Stücke gewidmet. Und als gefragter Interpret von Standardwerken hauchte er sowohl Klassik als auch Frühromantik neues Leben ein.

Seine Kompositionstechniken fanden Eingang in den Kanon des Violinrepertoires, er setzte Maßstäbe für die Geige, die bis heute gelten. Bach vor Augen – dessen Repertoire für Solovioline und dessen Arsenal dafür erforderlicher Techniken das Instrument für immer prägten –, schrieb er im Juni 1923 die erste der sechs Sonaten des Zyklus. Die Sonaten sind beispielhaft für den damaligen Wandel in Komposition und Darbietung. In der Musik kommt eine zeitgenössische musikalische Sprache zum Tragen, etwa Ganztonskalen und Mikrointervalle, neben Ysaÿes virtuoser Bogenführung und seinen präzisen Techniken für die linke Hand.

Die Stücke dokumentieren einen Kodex Ysaÿe’schen Geschmacks und Könnens, sie kommen einer bahnbrechenden Abhandlung über die Violinkomposition im 20. Jahrhundert gleich. Indem er jede Sonate einem bedeutenden Interpreten seiner Zeit widmete – Joseph Szigeti, Jacques Thibaud, George Enescu, Fritz Kreisler, Mathieu Crickboom und Manuel Quiroga –, stellte er sicher, dass Nachfolgende seine Arbeit fortsetzen würden. Bis heute sind die Sonaten ein Prüfstein für jeden Geiger und jede Geigerin – »legendär, prägend für Generationen von Musiker:innen, ein wahres Fest dieses Instruments«, nennt Hahn sie.

Der Gedanke, diese Musik einzuspielen, kam ihr im vergangenen Oktober in Paris im Théâtre des Champs-Élysées. Da Hahn bei einem Schüler Ysaÿes studiert hat, war sie seit Langem mit dem Œuvre vertraut. Und obgleich sie ein halbes Jahrhundert nach Ysaÿes Tod zur Welt kam, schien es ihr, als würden sie auf denselben Pfaden gehen und auf denselben Bühnen spielen, nur getrennt durch die Zeit. Sie erinnerte sich, dass Ysaÿe den Zyklus unvorstellbar schnell geschrieben haben soll, forschte nach und stieß auf das Datum seiner fast vollständigen Skizzen: Ende Juli 1923. Entschlossen, sowohl den 100. Jahrestag der Musik als auch die eigene künstlerische Herkunft zu ehren, entschied sie sich, alle sechs Sonaten aufzunehmen.

Doch bevor sie sich dazu verpflichtete, spielte sie alle Stücke vom Blatt. Seit Jahren hatte Hahn diese Werke nicht mehr auf die Bühne gebracht und trotzdem ging ihr deren Interpretation so leicht von der Hand, als sei die Musik wie von selbst in ihr gereift. Gemeinsam mit Deutsche Grammophon und Koproduzent Antonio Oliart wurde die erste Aufnahmesitzung auf den 1. November gelegt. Zuvor hörte sie sich Einspielungen von Ysaÿe an, Aufnahmen, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg entstanden waren.

»Ich hatte sie mir seit Jahren nicht mehr angehört, und als sie nun aus dem blechernen Lautsprecher meines Handys durch das leere Studio klangen, war ich tief bewegt und im besten Sinne aufgerüttelt. Es war, als fände ich auf dem Dachboden meiner Großeltern eine Schachtel mit alten Familienfotos und würde im Bild eines meiner Vorfahren mein eigenes Gesicht wiedererkennen. Der Gestus und das Timing von Ysaÿes Spiel war wie eine Blaupause für alles, wonach ich rein intuitiv und ganz für mich in den letzten zehn Jahren gesucht und woran ich in meinem eigenen Spiel hart gearbeitet hatte. Mir war nicht klar, dass mich meine künstlerische Entwicklung zurück zu meinen Wurzeln geführt hatte. DNA ist mächtig – selbst die symbolische DNA einer Musikerpersönlichkeit.«

Hahn nahm die sechs Sonaten in chronologischer Reihenfolge auf: »Beim Abhören der Aufnahmen war ich verblüfft, wie sehr mich mein eigenes Spiel überraschte. Ich bekam eine Gänsehaut und wusste, dass ich auf dem richtigen Weg war. Diese Sonaten haben etwas Hypnotisches, und wenn ich nach einem Tag im Studio in die kalte Winterluft hinaustrat, war ich wie benommen und in meinem Kopf rauschte es von all den Tönen, die durch mein Kinn vibriert waren: ein Klangbad, wie man es sich großartiger nicht vorstellen kann.«

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