Mit dem Tod eines Komponisten endet zwar ein Schaffen, sein musikalisches Erbe aber wirkt unaufhörlich weiter, erst recht bei einem Genie wie es Wolfgang Amadeus Mozart war. Auf ihrem neuen Album “The Messenger”, das am 2. Oktober bei Deutsche Grammophon veröffentlicht wird, stellt die Pianistin Hélène Grimaud ausgewählte Werke von Mozart Kompositionen des zeitgenössischen Tonschöpfers Valentin Silvestrov gegenüber. Dabei wird offenbar, wie kunstvoll und betörend Musik die Zeiten überwindet und Vergangenheit und Gegenwart klangvoll eins werden lässt.
Der erste Teil des Albums widmet sich verschiedenen Werken von Wolfgang Amadeus Mozart, allesamt in Moll-Tonarten, darunter seine Fantasie in d-Moll K397, das 20. Klavierkonzert in d-Moll und seine Fantasie in d-Moll K475. Die einzelnen Stücke sind dabei bewusst chronologisch platziert und verdeutlichen eindringlich die Steigerung an Komplexität und Dramatik in Mozarts Schaffen. Der zweite Teil des Programms wiederum wird ausschließlich von Werken des 1937 geborenen Valentin Silvestrov bestimmt. Im Zentrum stehen die “Zwei Dialoge mit Nachwort”, in denen Silvestrov sich intensiv auf Werke seiner musikalischen Vorgänger, insbesondere auf Richard Wagner und Franz Schubert, bezieht. Eingerahmt werden diese musikalischen Dialoge von Silvestrovs Stück “The Messenger”, einmal in einer Version für Streichorchester und Klavier, einmal in einer Version für Klavier Solo. Dieses außergewöhnliche Stück komponierte Silvestrov 1996 in Gedenken an seine verstorbene Frau.
Hélène Grimaud hat nach eigener Aussage länger gebracht, um ihren ganz eigenen Zugang zum Oeuvre von Wolfgang Amadeus Mozart zu finden. Als es soweit war, wurde es fast zwingend für sie, seine Stücke zu spielen. Dabei hat sie in den verschiedenen Mozart-Werken auf dem Album “brodelnde Kräfte” hinter der “äußeren Heiterkeit und Beschwingtheit” entdeckt, die eine “permanente, niemals ruhende, quälende Sehnsucht nach Liebe” offenbaren und der “transzendentalen Schönheit” der Musik eine drängende Facetten hinzufügen. Die Musik Silvestrovs wiederum erlebt Grimaud als durch und durch natürliche Musik, die in ihrer Absolutheit und Konzentration die Zeit-Empfindung aus den Angeln hebt. Stücke wie “The Messenger” oder “Morning Serenade” aus den “Zwei Dialogen” glichen dabei dahinschwebenden Wolken. “Wie Tiere sind sie einfach, was sie sind”, so Grimaud, – “naturgegeben, vergänglich, schwer fassbar und ihren eigenen Gesetzen folgend.” Silvestrov selbst versteht seine Musik als einen Widerklang und eine Reaktion auf all das, was bereits existiert. So sind seine Werke reich an musikalischen Bezügen und Anspielungen und greift er Tonmaterial anderer Komponisten direkt auf, um es in Folge eindrucksvoll zu verwandeln.
Hélène Grimaud zeigt sich auf ihrem neuen Album einmal mehr als Gestalterin spannender Konzeptalben, die durch ihre feinsinnige Interpretation und die außergewöhnliche Programmzusammenstellung ganz neue musikalische Bezüge herstellt. Während sie in den verschiedenen Kompositionen Mozarts kontrastreich und mit ausgereifter Anschlagskultur die Details herausarbeitet, inszeniert sie Silvestrovs Stücke musikalischen Meditationen gleich als klangvolles Echo der Vergangenheit, das den Bogen zur Gegenwart spannt.
Mit der Camerata Salzburg hat sie ein ebenso intensiv wie filigran musizierendes Ensemble an ihrer Seite, das sie auf ihrer Reise durch die Welten einfühlsam begleitet und die fragile Schönheit der Werke Mozarts ebenso zum Leben erweckt wie die sphärische Aura der Stücke Silvestrovs. “The Messenger” ist ein kraftvolles, inspirierendes Album über die Zeiten hinweg.