Nun ist Richard Strauss kein Komponist, den man vorrangig wegen Klavierkompositionen kennt. Trotzdem hatte er für den jungen Friedrich Gulda eine besondere Bedeutung. „Strauss und Gulda“, erinnert sich Paul Gulda, Sohn des Pianisten und künstlerischer Leiter der Edition, „sie beide verbindet eine sehr gründliche und konservative Schulung in jungen Jahren, in deren Nachgang bei beiden Künstlerpersönlichkeiten bald eine radikale Wende und Öffnung erfolgte. Strauss war zunächst an den Klassikern und Brahms orientiert – erst mit Mitte 20 lässt ihn die Hinwendung zu Wagner seinen ureigenen Stil finden. Friedrich Gulda wiederum belegte schon mit 12 Jahren Komposition an der Wiener Akademie bei Joseph Marx, der seinerseits tief in der Tradition von Richard Strauss stand, seine meisterhaften Lieder beweisen es. Für Friedrich Gulda bildete danach der Jazz, den er mit kaum 20 Jahren für sich entdeckte, den Wendepunkt“.
Die Musik von Richard Strauss war für den jungen Pianisten darüber hinaus eine der wenigen Möglichkeiten, sich im braunen Österreich der frühen Vierziger mit zeitgenössischer Musik zu befassen. „Eine bei aller Erneuerung konservative Grundhaltung, die die Grenze der Tonalität zwar auslotet aber nicht überschreitet: Sie ist ein Zug, den Pianist und Komponist gemein haben. Richard Strauss ‘liegt’ Friedrich Gulda schon insofern“. Tatsächlich gehörte besonders die „Burleske d-moll“ in den fünfziger Jahren zu Guldas gern gespieltem Repertoire. Das Stück selbst war vom Komponisten bereits 1885 komponiert worden, als er noch stark unter dem Eindruck von Johannes Brahms stand. In späteren Jahren entschlackte er sie ein wenig, überarbeitete die Komposition, ohne ihr aber den Grundcharakter des Kontrastiven zu nehmen. Gulda nahm sie bereits 1954 im Studio auf. Für die Neuedition aber machte sich Paul Gulda auf den Weg, um eine noch lebhaftete Version zu finden, die den Vorstellungen der „Burleske“ entsprach, die er von seinem Vater kannte.
Und er wurde fündig beim Radio Suisse Romande. So startet die CD „Friedrich Gulda spielt Richard Strauss“ jetzt mit einer Version von 1957, mit Ernest Ansermet am Pult des Orchestre de la Suisse Romande. Sie bildet die Einleitung für das Kernstück des Albums, einen der raren Mitschnitte, wo man Friedrich Gulda als Liedbegleiter erleben kann. Die Aufnahme der „13 Lieder“ entstand im September 1956 im Wiener Sophiensaal, mit der Sopranistin Hilde Güden, die damals zu den Star-Sängerinnen ihres Fachs gehörte. Abgerundet schließlich wird das Album durch eine ebenfalls seltene Einspielung, die Paul Gulda zu dem Programm der CD beisteuerte. Denn 1966 hatte sich Friedrich Gulda gemeinsam mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Lorin Maazel an die Umsetzung von „Der Bürger als Edelmann“ gemacht. Auszüge dieser Suite „Le Bourgeois gentilhomme“ wurden als amüsanter und unterhaltsamer Ausklang des Liedprogramms ausgewählt, so dass die Zusammenstellung „Friedrich Gulda spielt Richard Strauss“ wirklich eine Entdeckung ist – genau das Richtige, um anlässlich des Jubiläums die Kunst dieses großen Pianisten in ihrer Vielfalt Revue passieren zu lassen.
Die besten Geschichten oder auch persönlichen Erlebnisse mit der Person und Musik von Friedrich Gulda möchten wir anlässlich seines 80. Geburtstags, den er am 16. Mai 2010 gefeiert hätte, sammeln. Die interessantesten und originellsten Geschichten werden von der Redaktion ausgewählt und im Juni bei klassikakzente.de veröffentlicht. Als kleine Entschädigung für die Mühe des Verfassens beim Spaß des Erinnerns erhalten die Autoren der veröffentlichten Beiträge je eine Biographie „Friedrich Gulda“ aus der Feder der Gulda-Witwe Ursula Anders. Viel Spaß beim Schreiben – wir sind gespannt!
Die Kontaktadresse für die Einsendungen ist redaktion@klassikakzente.de (Betreff “Gulda Anekdote”). Einsendeschluss ist der 31.05.2010
Weitere Informationen zu Friedrich Gulda finden Sie auf seiner Künstlerseite.
(Bild: Bernhard Neuhoff (Bayern 4 Klassik) mit Paul Gulda)