Es ist eine Frage der Definition. Ein Musiker wie Elvis Costello fällt durch die Raster der stilistischen Vorsortierung, weil er sich seit rund drei Jahrzehnten konsequent weigert, sich auf die Vorgaben einer künstlerischen Gattung zu beschränken. Er arbeitete mit den Avantgardisten des Brodsky Quartets ebenso wie mit dem Entertainment-Guru Burt Bacharach, schrieb Lieder für die Mezzo-Sopranistin Anne Sofie von Otter ebenso wie für seine New-Wave-Combo The Attractions. Costello ist einer von den ewig Neugierigen und deshalb darf man sich nicht wundern, dass er sich auf “My Flame Burns Blue” im Crooner-Gewand präsentiert. Denn auch das gehört zur künstlerischen Freiheit, sich einmal im großen orchestralen Rahmen auf der Bühne feiern zu lassen.
Die Nomenklatur des feinsemiotischen Widerstandes beherrschte er von Anfang an. Schon der Name war eine clevere Spielerei mit den Erwartungen seiner Hörer. Geboren 1954 als Declan Patrick McManus in London konstruierte er sich sein Künstlerpseudonym aus dem Mädchennahmen seiner Mutter und dem Vornamen des bekanntesten Entertainer des Rock ‘n’ Rolls. Als die anderen Revoluzzer seiner Generation sich die Haare färbten und in Irokesen-Manier aufstellten, schlüpfte er in einen grauen Anzug, setzte eine Brille mit Kassengestell auf und mimte den ungeschickten Intellektuellen. Costello war der Woody Allen des Punks, konvertierte dann zum popmusikalischen Underground nach New Yorker Manier und holte sich Saitenschänder wie den Gitarristen Marc Ribot in seine Combos, der schon beim Raubein Tom Waits die Harmonien gekonnt zersägt hatte. So durchschlenderte er die Achtziger mit verschiedenen, sich deutlich dem gehobenen Songwriting annähernden Projekten, um wiederum im nächsten Jahrzehnt beim Jazz und jazzverwandten Spielarten der Musik zu landen. Einstiegsdroge in die Welt der Improvisation waren die Werke von Charles Mingus, eines der einflussreichsten Komponisten der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts, dessen komplexe, von der afrikanischen Tradition getragenen Klangarchitekturen Costellos Neugier erregten. Er transkribierte einige der Mingus-Stücke für Jazzorchester mit Singstimme, und schrieb Texte dazu, was in Insiderkreisen als eine der schwersten Übungen der Wort-Tonverbindung zählt.
Doch dabei blieb es nicht. Nach der Rockcombo, der Jazzgruppe und der Big Band begannen ihn weitere musikalische Ausdrucksformen zu faszinieren. Mit dem Brodsky Quartet erarbeitete er ein Programm, dass souverän den Kammerklang um Stimme ergänzte. Der schwedischen Mezzo-Sopranistin Anne Sofie von Otter schickte er so lange Rosen, bis sie ihm antwortete und sich eine ebenfalls ausführliche Zusammenarbeit ergab. Und die Jazz-Pianistin Diana Krall – die heiratete er gleich. So zählt Elvis Costello heute zu den erfolgreichsten Musikern zwischen allen Stühlen, ein Exot, der sich andauernd neu definiert und unlängst mit der Ballettmusik “El Sogno” sogar ein Debüt im originär klassischen Segment gab. Mit “My Flame Burns Blue” wiederum stellt er sich im großen jazzorchestralen Rahmen vor. Eingeladen vom North Sea Jazz Festival 2004 stellte er gemeinsam mit dem renommierten Metropole Orkestret ein opulentes Programm zusammen, das ihn von Duke Ellingtons Adlatus Billy Strayhorn über Charles Mingus und Burt Bacharach bis hin zu eigenen Kompositionen führt. Der Sound ist souverän swingend bis zart balladesk, für die Arrangements war Altmeister Vince Mendoza verantwortlich. So entstand unter dem Dach der Deutschen Grammophon ein cleveres Konversionsalbum in der Welt der gepflegten Improvisation, live aufgenommen, perfekt gespielt und voller reizvoller Klangdetails zum Entdecken. Als Bonus schließlich wurde der Aufnahme noch eine Best-Of-CD-Suite mit Höhepunkten der von der Presse hochgelobten Ballett-Bearbeitung von Shakespeares “Sommernachtstraums” mitgegeben. So gibt es auf “My Flame Burns Blue” viel zu entdecken: Exzellentes Songwriting aus der Feder eines klassikversierten Popanarchisten im swingjazzend orchestralen Gewand.