Bach, meint Albrecht Mayer, sei mehr als nur eine Leidenschaft. Er sei schlicht seine Heimat. Da ist es nur konsequent, dass der weltweit renommierte Oboist nach Ausflügen zu Mozart und dem italienischen Barock im Stile der Venezianer nun wieder zu seinen Wurzeln zurückkehrt. „Bach – Werke für Oboe, Orchester und Chor“ geht dabei noch etwas weiter als seine erste Beschäftigung mit dem Kosmos des Leipziger Genius. Diesmal kombiniert Albrecht Mayer die Stimme der Oboe mit dem menschlichen Pendant und hat sich neben dem Ensemble The English Concert mit Trinity Baroque zusammen getan, einem auf historische Aufführungspraxis spezialisierten englischen Chor. Sein Album präsentiert ihn darüber Hinaus nicht nur akustisch, sondern mit einer beigelegten DVD auch kommentierend in Wort. Bild und Musik zu diesem ungewöhnlichen Projekt.
Das Faszinierende an der Musik von Johann Sebastian Bach ist unter anderem die Vielgestaltigkeit der Bedeutung. Der Musikwissenschaftler kann sich in die formale Strenge vertiefen, der Kulturgeschichtler in die Wirkungshistorie des umfassenden Schaffens, der Musikfreund das Oeuvre einfach nur genießen. Das liegt auch daran, dass bei jedem seiner Stücke mal mehr, mal weniger Spirituelles mitschwingt. „Bach“, meint Albrecht Mayer, „ist das reichste musikalische Genie, das mir begegnet ist. Die gesamte abendländische Musik nach Bach hat von ihm gezehrt. Die Musik Bachs spricht nahezu jeden Menschen an, egal welcher Herkunft. Und mich als gläubigen Menschen bewegt der religiöse Aspekt dieser Musik zusätzlich sehr. Leitmotiv (oder Programm) von Bachs Kantaten ist immer ‘Soli deo gloria’, ‘Zum Ruhme und zur Ehre Gottes’. Daher beginnt und endet meine neue Bach-CD mit dem Choral ‘Was Gott tut, das ist wohlgetan’“.
Dabei versteht Albrecht Mayer das Spirituelle auch in übergreifender Form. Denn das Album „Bach“ kreist nicht nur textlich um das Göttliche der Musik, sondern widmet sich ihm auch in instrumentaler Form. Zum einen haben der Oboist und sein Gegenüber, der Arrangeur Andres Tarkmann, einzelne Kantaten herausgesucht, die sie sorgsam in der klangdramaturgischen Gewichtung auf die zusätzliche und neue Stimme des subtilen Instruments abstimmen. Als Kontrapunkte stellen sie diesen Stücken drei Konzerte für Oboe, Oboe d’amore und Englischhorn gegenüber, die weitere Farben und Impulse hinzufügen. „Wir wollten nicht einzelne Sätze ohne inneren Zusammenhang aneinander reihen. Wir wollten verschiedene neue, in sich abgeschlossene Werkzusammenhänge erzeugen. Unser Choralzyklus ist im harmonischen Ineinandergreifen, welches wir die einzelnen Choräle in ihrer Abfolge vollziehen lassen, eigentlich eine neue Form. Das gibt es so noch nicht. Es ist kein Konzert, keine Kantate, keine Passion. Am ehesten könnte man sagen, dass unsere Abfolge einen gewissen Motettencharakter besitzt“.
Das wiederum ist eine der großen Besonderheiten von Albrecht Mayers aktueller Bach-Beschäftigung. Denn es geht nicht nur darum, musikalische Kleinodien in einen neuen Klangzusammenhang zu stellen, sondern darüber hinaus auch um die ganze Erscheinung der kompositorischen Form als solcher. Dabei erweisen sich Bachs Werke als erstaunlich entgegenkommend. Denn in der Kombination, die ihnen Albrecht Mayer und Andreas Tarkmann verordnet haben, liegt auch eine innere Logik, die daraus resultiert, dass Bach bei aller Verschiedenheit seiner Werke immer einen individuellen roten Faden beibehielt. So wirkt dieses Album, das übrigens durch Interviews und erklärende Worte auf der beiliegenden DVD eine weitere Qualität bekommt, in sich klar, zwangsläufig, als habe der Komponist von Anfang an Derartiges im Sinn gehabt. Das herausragende englische Vokalensemble Trinity baroque unter der Ägide von Julian Podger und das Kammerorchester English Concert, das Albrecht Mayer selbst leitet, tun das Übrige dazu, dass dieses Album die Menschen bewegen wird.
Mehr Informationen über den Oboisten Albrecht Mayer finden Sie auf seiner Künstlerporträtseite bei KlassikAkzente.