Vor ziemlich genau drei Jahren erklärte Mitsuko Uchida in einem Interview, der späte Robert Schumann sei ein merkwürdiger Komponist. Seine Harmonik erwecke oft den Eindruck, als drehe sie sich im Kreis und als suche er vergeblich nach einem Ausweg. In Bezug auf die “Gesänge der Frühe” bekannte Uchida sogar eine „unglaubliche Angst“. Unterdessen hat sie das Werk mehrfach im Konzert gespielt, kombiniert mit der Sonate für Klavier Nr. 2 in G-moll, op. 22 und den “Waldszenen”, op. 82, und dafür viel Lob erhalten. Genau diese Werkauswahl präsentiert Mitsuko Uchida nun auf ihrem neuen Schumann-Album.
Klaviersonate Nr. 2 in g-moll, op. 22
„Ich liebe sie, so wie Dich, Dein ganzes Wesen drückt sich so klar darin aus“, schrieb Clara Wieck an Robert Schumann über dessen Klaviersonate Nr. 2 in g-moll op. 22. Geprägt von inhaltlicher und formaler Klarheit gilt sie als klassischste der verschiedenen Sonaten-Kompositionen Schumanns. Dabei war ihr Entstehungsweg ungewöhnlich lang und verschlungen. Neun Jahre vergingen zwischen dem Beginn der Komposition mit dem langsamen Satz, dem Schumann sein Lied “Im Herbste” nach einem Gedicht von Justus Kerner zugrunde legte, und der Publikation des Werks im Jahr 1839. Zwischenzeitlich nahm Schumann eine Vielzahl von Änderungen vor; den Finalsatz komponierte er auf Anraten Clara Wiecks sogar völlig neu. „Ich verstehe ihn schon und spiele ihn auch zur Noth“, hatte ihm die hervorragende Pianistin zur Originalfassung geschrieben, „doch die Leute, das Publikum selbst die Kenner, für die man doch eigentlich schreibt verstehen das nicht.“ Berühmt für seine widersinnigen Tempobezeichnungen ist der erste Satz, „so rasch wie möglich“ soll er genommen werden – bis Schumann in der Coda fordert, „schneller“ und „noch schneller“ zu spielen.
“Waldszenen”, op. 82
Anlässlich des siebenten Geburtstags seiner musikalisch begabten Tochter Marie nahm Robert Schumann im September 1848 erstmals seit den 1830er Jahren wieder Klavierkompositionen in Angriff, um dem Mangel an kindgerechter Klavierliteratur entgegenzutreten. Neben dem Klavieralbum für die Jugend, op. 68 und den vierhändigen Bilder aus dem Osten, op. 66 entstand der Zyklus “Waldszenen”, op. 82. Schumann bezog seine Inspiration für das Werk wie so häufig aus der Literatur, neben Gedichten von Hebbel, Pfarrius und Eichendorff vor allem aus Laubes “Jagdbrevier”. Die neun Stücke weisen stark kontrastierende Stimmungen auf, sind aber sehr subtil miteinander verbunden: Kleine motivische Muster tauchen in ihrer Grundgestalt, variiert oder als einfache Reminiszenz immer wieder auf. Die an ein musikalisches Laienpublikum adressierten Waldszenen erfreuten sich rasch großer Beliebtheit. Besonders geschätzt wurden sie für ihre poetischen Qualitäten und ihre musikalische und technische Zugänglichkeit.
“Gesänge der Frühe”, op. 133
Die “Gesänge der Frühe” sind eines der letzten vollendeten Werke Schumanns. Sie entstanden im Oktober 1853 zwischen zwei einschneidenden Ereignissen im Leben des Komponisten: der Bekanntschaft mit dem jungen Genie Johannes Brahms und Schumanns Selbstmordversuch, der zwar fehlschlug, seinem künstlerischem Schaffen jedoch ein Ende setzte. Clara Schumann notierte in ihrem Tagebuch: „Robert hat 5 Frühgesänge komponiert, – ganz originelle Stücke wieder, aber schwer aufzufassen, es ist so eine ganz eigne Stimmung darin.“ Kurz nach dem Beginn seiner Gehörhalluzinationen Ende Februar 1854 schreibt Schumann an seinen Verleger „Es sind Musikstücke, die die Empfindungen beim Herannahen u. Wachsen des Morgens schildern“. Mit dem Zusatz „aber mehr aus Gefühlsausdruck, als Malerei“ greift er nahezu wörtlich Beethovens Anmerkung „Mehr Ausdruck der Empfindung als Mahlerey“ zur 6. Symphonie (Pastorale) auf.