Für viele ist das “Quintett für Klavier, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass A-Dur D 667”, kurz “Forellenquintett”, der Inbegriff des Schubert’schen Kammermusikklangs überhaupt. Tatsächlich formuliert sich in dieser Auftragsarbeit deutlich eine Tonsprache, die sich von den Vorbildern Mozart, Haydn, Beethoven entfernt. Das zeigt sich an formalen Details ebenso wie an der ungewöhnlichen Besetzung mit Kontrabass, die Klavier und Cello weitaus mehr gestalterische Möglichkeiten lässt als die klassische Quintettformation. Alfred Brendel hat sich während seiner langjährigen Karriere mehrfach dieses Werkes angenommen. Seine Einspielung aus dem Jahr 1978 gehört für Kenner längst zu den Klassikern der Tonträgergeschichte.
Franz Schubert konnte ein bisschen Geld gut gebrauchen. Nachdem ihn sein Vater aus dem Haus geworfen hatte – die erhobene Vorwürfe für diese ungehörige Aktion waren Arbeitsscheu und mangelnder Lerneifer, den der junge Mann als Hilfslehrer an der Lichtentaler Trivialschule sich nicht leisten konnte – schlug er sich mehr schlecht als recht als freier Komponist durch. Zwar fand er 1818 eine Job als Klavierlehrer für die Töchter der gräflichen Familie Esterházy, doch behandelte man ihn derart hochnäsig, dass er sich dort nicht wohl fühlten. Schubert blieb daher auf die Unterstützung von Freunden und Gönnern angewiesen und freute sich über jede Offerte, die ihm ein paar sorglose Wochen verschaffte. Im Sommer 1819 zum Beispiel hatte ihn der musikbegeisterte Steyrer Sylvester Paumgartner in dessen Landhaus eingeladen. Da der Gastgeber gerade von Johann Nepomuk Hummels Septett op. 74 hingerissen war, das seit 1816 auch in Quintett-Version mit Kontrabass vorlag, fragte er Schubert, ob er ihm denn auch ein Klavierquintett mit ähnlicher Instrumentierung schaffen könnte. So entstand eines der ungewöhnlichsten und zugleich beliebtesten Werke der Kammermusik.
Schubert nützte den Auftrag, um mit Form und Klang zu experimentieren. Sowohl die Fünfsätzigkeit, als auch die Instrumentierung mit Kontrabass statt zweiter Geige, schufen ungewohnte klangliche Perspektiven. Endlich konnte beispielsweise das Cello tragende melodische Funktionen übernehmen, ebenso musste sich auch das Klavier nicht um das niederfrequente Fundament kümmern. Die Gesamtwirkung war rund, volumenreich und zugleich transparent. Das später nach der eingefügten Variationenfolge über Schuberts Lied “Die Forelle” benannte Klavierquintett wurde zum Paradebeispiel ökonomischen Komponierens, zum Muster für Klangentfaltung im kleinen Ensemble. Es traf mit tanzhafter, zuweilen im Volkston gehaltener Charakteristik den Geschmack von Generationen nachfolgender Musiker und Zuhörer, wanderte zunächst allerdings in den Musikalienschrank Paumgartners. Als Amateurcellist war er wohl mit der anspruchsvollen Partie seines Instrumentes überfordert, so wie überhaupt das Forellenquintett mit innovativem Anspruch nicht wirklich dem Serenadenton der abendlichen Salons entsprach. Trotzdem entwickelte es sich zu einem Standard des Konzertrepertoires, der selbst versierte Interpreten vor die Aufgabe stellt, sorgfältig die Unbeschwertheit gegen die latente melancholische Tiefe des Werkes abzuwägen. Alfred Brendel wählte in seiner Einspielung von 1978 gemeinsam mit Musikern des Cleveland Quartets und dem Kontrabassisten James von Denmark eine jugendlich frische, beinahe ungestüme Interpretation. Ganz gleich, ob Allegro, Scherzo oder Finale, hier kommt der junge Schubert zu Gehör, der frech, trotzig und zugleich pointiert komponieren konnte und mit der Ästhetisierung, die ihm zuweilen von der Nachwelt verordnet wurde, wenig am Hut hat. Diese Forelle hat Witz und Energie und dokumentiert unter Brendels Ädige nachhaltig, warum sie zu den Grundlagen der musikalischen Weltliteratur gehört.