Ein Cellokonzert hat Beethoven nie komponiert, sieht man von dem Tripelkonzert op. 56 einmal ab. Dafür gab er der enormen Vielfalt und Tiefe an Ausdrucksmöglichkeiten des Cellos neben seinen Streichquartetten, Klaviertrios und -quartetten vor allem in seinen fünf Cellosonaten und den Variationen für Cello und Klavier Raum. Diese verteilen sich beinahe exemplarisch auf seine drei Schaffensphasen: Die beiden Sonaten Opus 5 Nr.1 und 2 aus dem Jahre 1796 zeigen den jungen Beethoven, der sich in den verschiedensten instrumentalen Formen ausprobiert. Die Sonate Nr. 3 op. 66 erschien 1809 bei Breitkopf & Härtel in einer Auflage von 100 Exemplaren – heute zählt sie zu den Hauptwerken des “mittleren Beethoven”, der zu dieser Zeit bereits fünf seiner neun Sinfonien und vier der fünf Klavierkonzerte abgeschlossen hatte. Den Vertrag für die Herausgabe der beiden Sonaten op. 102 durch Nikolaus Simrock schließlich hatte Beethoven am 28. September 1816 unterzeichnet. Sie gelten heute als jene Werke, welche die Spätphase im Schaffen Beethovens, etwa mit den letzten drei Klaviersonaten, der neunten Sinfonie oder den späten Streichquartetten, einleiteten. Beethoven hätte die Cellosonaten gerne auch in England herausgebracht, sein Agent musste ihm allerdings mitteilen, dass die Verleger die Werke für zu schwer und nicht spielbar hielten: “…sie sagen, dass sie zu schwierig sind und nicht verkauft werden können”. Die Zeitgenossen waren häufig überfordert von den oft “sonderbaren”, sich endgültig von allen Konventionen verabschiedenden Werken. Ihre Originalität hob hingegen schon der Mannheimer Hofkapellmeister Michael Frey hervor, nachdem er mit Carl Czerny und Joseph Linke einer beiden Sonaten gehört hatte, allerdings seien sie “… beim ersten Hören ohnmöglich (zu) verstehen”.
Pierre Fournier gelte als Grandseigneur unter den Cellisten von Weltruf, hatte “Der Spiegel” geschrieben. Welche Wertschätzung dieser Grandseigneur dem viel jüngeren Friedrich Gulda entgegenbrachte, davon weiß sein Sohn Jean Fonda (Fournier) zu berichten: “Für uns war Friedrich Gulda der bedeutendste Pianist seiner Generation”. Seine Erinnerungen machen zugleich deutlich, dass wiederum Guldas Respekt dem großen Fournier gegenüber mit einem bedingungslosen Engagement für die hier vorliegende Aufnahme und zugleich einem untrüglichen musikalischen Gespür einherging. Als die beiden am 17. Juni 1959 mit den Aufnahmen in Wien begannen, hielt Gulda inne: “Die Balance ist furchtbar. Dieses Instrument (ein Steinway) ist viel zu laut!” Und er, der eigentlich eine Vorliebe für Steinway hatte, setzte die Aufnahme kurzerhand mit einem Bösendorfer-Flügel fort, der schon auf dem Podium im Brahms-Saal stand. “Ich bin nicht sicher, ob einer von uns so viel Selbstlosigkeit bewiesen hätte”, sagte Jean Fonda dazu.
Sechs Jahre später, im Februar 1965, hatte Fournier die fünf Sonaten und die drei Variationen noch einmal aufgenommen, jetzt mit Wilhelm Kempff. Dennoch wird die hier vorliegende Aufnahme mit Fournier und Gulda zu den bedeutendsten dieser Werkgruppe mit den insgesamt fünf Sonaten und drei Variationszyklen Beethovens gezählt.
Für diese audiophile Edition wurde von den analogen Stereobändern ein vollständig neues Remastering erstellt, das sowohl auf der Blu-ray Audio Disc, als auch auf den CDs, als auch auf dem digitalen Veröffentlichungen als Download und im Stream zu hören ist. Abgerundet wird die Edition durch Textbeiträge von Pierre Fourniers Sohn Jean Fonda und Reinhard Beuth, sowie durch seltene Künstlerfotos. Zum ersten Mal übrigens bringt Deutsche Grammophon die legendäre Einspielung mit Pierre Fournier und Friedrich Gulda zum Start des Beethoven Jubiläumsjahrs 2020 auch in einer limitierten und durchnummerierten Sammelbox auf Vinyl heraus.