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Jules Massenet
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Ab ins Kloster: Jules Massenets Oper "Thaïs"

14.02.2001

Offiziersfamilie, zehn Geschwister: Trotzdem endete Jules Massenet nicht auf dem Exerzierplatz, sondern ging schon mit elf aufs Konservatorium. Auch seine Oper “Thaïs” erzählt nicht von militärischem Heldentum. Stattdessen geht es um Erotik und Bekehrung.

Ein Mönch kehrt nach der erfolgreichen Bekehrung der Kurtisane Thaïs dem Klosterleben den Rücken, Thaïs aber wird Nonne. Die für das Uraufführungsjahr 1894 an sich schon delikate Geschichte wurde durch den Oben-Ohne-Auftritt der Sopranistin Sybil Sanderson zu einem echten Publikumsmagneten. Obwohl sie beteuerte, es sei reiner Zufall gewesen, hatte Jules Massenets “Thaïs” ihren Ruf als Skandaloper weg. Auch über diese oberflächlichen Schockeffekte hinaus hat “Thaïs” Qualitäten: Charakteristische Melodik, geschickt eingesetzte Orchesterfarben und eben den spannenden Plot – Mönch und Kurtisane begegnen einander, beschließen ihr Leben zu änderen, haben am Ende ihre Plätze getauscht: Die Kurtisane lebt bei den Nonnen, der Mönch entdeckt die erotische Liebe. “Das Faszinierende an der Handlung ist”, sagt Renée Fleming, “dass Athanael und Thaïs beide extreme Positionen einnehmen. Beide fassen einen Entschluss, aber nur Thaïs bleibt ihrer Entscheidung treu. Sie kann das besser als er.” Thaïs Wandlungsprozess stellt auch an die Sängerin hohe Anforderungen. “Sie beginnt als Kurtisane und endet als Nonne. Mir macht es Spaß, praktisch zwei Frauen zu spielen.” Massenet war ein Opernroutinier. Er wusste, wann eine Geschichte packend war und kannte die Tricks, um Spannung auch musikalisch umzusetzen. In “Thaïs” glänzt er mit seiner psychologischen Figurenzeichnung und dem berühmten Instrumental-Intermezzo, der “Méditation”.

 

Massenet gehörte zu den erfolgreichsten Opernkomponisten seiner Zeit – nur Puccini konnte ihm auch international das Wasser reichen. Heute werden “Manon” und “Werther” nach wie vor viel gespielt, dagegen sind “Don Quichotte”, die märchenhafte Oper “Esclarmonde”, “Thérèse” und “Hérodiade” nur noch selten auf der Bühne zu sehen. Und das, obwohl die französischen Opernfans der Jahrhundertwende zur Premiere von “Hérodiade” bis nach Brüssel reisten. “Thaïs” aber schaffte es trotz viel nackter Haut nicht sofort zum durchschlagenden Erfolg. Erst nachdem 1903 in Mailand und 1907 in Paris die schöne Sopranistin Lina Cavalieri die Titelrolle übernommen hatte, gehörte das Werk zum Standard-Repertoire der Pariser Oper. Die Titelbesetzung mit der amerikanischen Sopranistin Renée Fleming – ihre Partner sind Thomas Hampson und Giuseppe Sabbatini – weckt die Oper aus ihrem Dornröschenschlaf. Renée Fleming:

 

“Ich liebe französische Musik und habe schon eine Menge gesungen. Thaïs, Blanche und auch Susannah geben einem Gelegenheit, etwas von der Angst auszuleben, die diese Figuren empfinden. Natürlich ist jedem von uns schon mal das Herz gebrochen worden und jeder hat schon einmal die Gefühle empfunden, die in einer Oper vorkommen – nur nicht so extrem.” Dass die Grammy-Gewinnerin ihre Emotionen wohldosiert einzusetzen weiß, beweist sie auch in der vorliegenden Aufnahme: Nicht Kurtisane, nicht Nonne, sondern Renée Fleming, “The Beautiful Voice”.

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