Obwohl man ihn Zeit seines Lebens für seine Bescheidenheit und Demut schätzte, ist Johann Sebastian Bach als Mann der Superlative in die Geschichte eingegangen. Keinem anderen Komponisten der klassischen Musik ist so viel ungeteilte Begeisterung und wahre Bewunderung entgegengebracht worden.
Schon Beethoven schwärmte wegen des unendlichen, unausgeschöpften Reichtums an Tonkombinationen und Harmonien: “Nicht Bach, sondern Meer sollte er heißen”. Goethe zeigte sich davon überzeugt, dass bei Bach die “ewige Harmonie” mit sich selbst spricht, “wie sich’s etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung, möchte zugetragen haben”.
Aber wie kann man einem solchen Mann gerecht werden? Wie nähert man sich Bach im Zeitalter technisch reproduzierbarer Musik? Wahrscheinlich nur, indem man selbst auch nach den Sternen greift – indem man keine Zeit und Mühe scheut, alles zusammenzutragen, was auf dem Bach-Kosmos bislang geleistet wurde: künstlerisch und wissenschaftlich, auf Instrumenten, mit der menschlichen Stimme, mit Gefühl und Verstand, biographisch, musiktheoretisch, filmisch, in Gestalt von Büchern und digitalen Medien.
Eine gigantisches Großprojekt, dem sich Decca und die Deutsche Grammophon gemeinsam mit dem Bach-Archiv Leipzig gewidmet haben. Herausgekommen ist eine Mammut-Ausgabe, die alle bisherigen Komponisten-Editionen in den Schatten stellt. Soeben ist diese einzigartige Veröffentlichung mit dem Titel “Bach 333 – Die neue Gesamtausgabe” in den Handel gekommen. Zwei Jahre lang wurde die Ausgabe kuratiert. In Kooperation mit renommierten Bach-Spezialisten und insgesamt 32 Labels ist eine wegweisende Zusammenschau von Bachs Gesamtschaffen entstanden.
Bestechend ist die Unterhaltsamkeit der limitierten Edition. Durch die vielschichtige mediale Präsentation erlebt man Bach auf den unterschiedlichsten Ebenen. Für Interessierte liegen zwei brillant geschriebene Bücher bereit, die auf dem neuesten Stand der Wissenschaft tiefe Einblicke in Bachs Leben und sein musikalisches Schaffen gewähren. Zudem bietet John Eliot Gardiners spannender BBC-Film “Bach: A Passionate Life” informative Einblicke in die Biographie des einmaligen Komponisten.
Das Zentrum der Ausgabe bilden 222 CDs, die den ganzen Kosmos des musikalischen Großmeisters hörbar machen. Ein überwältigendes Erlebnis, das Goethes Urteil auf bewundernswerte Weise bestätigt. So ist man immer wieder erstaunt, wie Bach die scheinbar unterschiedlichsten Klangschöpfungen in einer “ewigen Harmonie” zusammenführt. Nicht minder überwältigend ist die Reichweite von Bachs Einfluss. Die 16 CDs, die Bachs Wirkung auf die Nachwelt, ob Mozart oder Beethoven, Arvo Pärt oder György Kurtág demonstrieren, sind eine Offenbarung.
Zu dieser Thematik zählt auch Bachs Einfluss auf den Jazz, wenn man nur an die großartigen Arrangements von Stéphane Grappelli oder Jacques Loussier denkt, sowie auf zeitgenössische Komponisten, die mit neuen Remixes Bachs Klangfarben den Hörgewohnheiten des 21. Jahrhunderts anschmiegen. Dass die imponierende Ausgabe, die über 750 der größten Solisten, Ensembles und Orchester der Bach-Interpretation versammelt, den Schwerpunkt auf die historische Aufführungspraxis legt, ist erfreulich.
Auf den alten Instrumenten erlebt man die barocke Pracht von Bachs Musik. Nicht minder erfreulich ist, dass man auf über 50 CDs in den Genuss moderner Instrumente und Interpretationen kommt. Jeder darf für sich selbst entscheiden, welchen Zugang er bevorzugt. Nicht zuletzt sei auf die zahlreichen Neuaufnahmen in der Ausgabe verwiesen. In der Summe ergeben sie 10 Stunden neu eingespielte Musik. Hervorzuheben ist insbesondere Giuliano Carmignolas hochelegante, auf der Barockgeige vorgenommene Interpretation von Bachs Sonaten und Partiten für Violine solo.