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Georges Bizet
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Der Liebende und der Revolutionär - Andrea Bocelli singt Bizet und Giordano

Andrea Bocelli in der Oper © Decca, Mario und Eva Mulas
Decca, Mario und Eva Mulas
02.03.2010

Es ist der März des Andrea Bocelli. Denn gleich in zwei umfassenden Operneinspielungen präsentiert sich der Startenor als wandlungsfähiger, souveräner Interpret berühmter Partien. Zum einen stellt er sich als leidenschaftlich eifersüchtiger Don José in George Bizets „Carmen“ vor, der gemeinsam mit der umjubelten Marina Domashenko in der Titelrolle und dem walisischen Bass-Bariton Bryn Terfel als Torero Escamillo der Oper strahlenden Glanz verleiht. Darüber hinaus singt er in dem Revolutions-Epos „Andrea Chénier“ von Umberto Giordano die Titelrolle und zeigt damit einmal mehr, wie dramaturgisch souverän und musikalisch ausdrucksstark er mit interpretatorisch komplexen Werken umzugehen vermag. Ein März des Andrea Bocelli – und ein Fest für die Fans emphatischer Gefühle auf der Opernbühne.

Bei der Uraufführung anno 1875 an der Pariser Opéra Comique fiel „Carmen“ durch. Die Zeit war noch nicht reif für einen Stoff, der Gefühle nicht in der Camouflage verbarg. Das Pariser Opernpublikum hatte seine Probleme mit Geschichten, die über ein etabliertes Handlungsschema hinaus gingen. Die lyrische Oper zum Beispiel gab sich distinguiert. Emotionen sollten gezügelt werden, Grazie und Eleganz standen im Vordergrund. Wenn überhaupt einmal gelitten und geschwelgt werden sollte, dann in der großen Oper. Hier hatten Tragik und Schicksal ihren Platz, hier lebten und starben Helden in edler Schönheit. Insofern war es für den Pariser Komponisten George Bizet ein Wagnis, die von ihm umworbene Klientel mit herb romantischen, volksmusikalisch inspirierten Klängen und Figuren aus dem Underdog-Millieu zu konfrontieren. Die Quittung kam postwendend. Nachdem schon das Orchester über zu schwierige Passagen gemault und Bizet zur Streichung mehrerer Details veranlasst hatte, bedachten die Pariser die Uraufführung am 3.März 1875 mit eisigem Schweigen. Bizet war gescheitert und erlebt nicht mehr, wie seine „Carmen“ nur wenige Jahrzehnte später zu einer der meist gespielten Opern der internationalen Schauspielhäuser wurde.

Die Ablehnung verwundert umso mehr, wenn man die burleske und pittoreske Vorlage sich vergegenwärtigt, die Bizet den Zeitgenossen präsentierte. Da gab es verschiedene musikalische Räume – Stierkampf, Schmuggler- und Zigeunerambiente – die Bizet mit drastischer Konsequenz und sicherem Gefühl für charakteristische Stilelemente gestaltete. „Carmen“ ist im Kern eine der aufregendsten Opern der Geschichte, obwohl oder gerade weil sie souverän mit den Klangklischee unterschiedlicher Herkunft umgeht. Sie macht es Sängern aber deshalb nicht leichter, sich in den inzwischen berühmten Rollen zu präsentieren. Gerade das Burleske, Temperamentvolle braucht ein gutes Gespür für gestalterische Balance und Andrea Bocelli findet genau die passende Mischung, um den unglücklich liebenden Don José in seiner ganzen Melodramatik darzustellen. Seine Aufnahme mit dem Orchester Philharmonique der Radio France unter der Leitung von Myung-Whun Chung zählt daher zu den ebenso spektakulären wie vorbildlichen Deutungen der Oper, die „Carmen“ vielfältig erstrahlen lässt.

Das zweite Bocelli-Kapitel dieses Frühlings wird mit Umberto Giordanos „Andrea Chénier“ aufgeschlagen. Die Oper ist eine frei adaptierte Geschichte über den gleichnamigen Dichter, der erst als Befürworter der Französischen Revolution glühende Verse schmiedete, dann aber als einer der Skeptiker des Terrors von den Schergen Robespierres zur Guillotine verurteilt wurde. Die Feder ging Giordano leicht von der Hand, bereits im Januar 1896 hatte er die Partitur fertig gestellt. Sein Verleger allerdings war wenig davon begeistert, denn er hielt das Stück mit seinen vielen Chören und komplexen Figuren für unaufführbar. Quasi in letzter Minute sprang ein prominenter Fürsprecher Giordanos in die Bresche, der seit seiner „Cavalleria rusticana“ zum Starkomponisten avancierte Pietro Mascagni, und riet dem zweifelnden Geschäftsmann zu. Sein Gespür für das in dem Stück schlummernde Potential sollte ihn nicht trügen. Als „Andrea Chénier“ am 28. März 1896 an der Mailänder Scala uraufgeführt wurde, wurde sie als großartiger Wurf gefeiert und Giordano rückte vor in die Liga der hoch geschätzten Komponisten der italienischen Nation. Die große Herausforderung dieser Oper war dabei von Anfang an die Titelrolle, die nur dann wirklich zur Geltung kommt, wenn sie von einem herausragenden Tenor gesungen wird. Wieder ist es Andrea Bocelli, der an der Aufgabe wächst und die dramatisch vielschichtige Partie des Andrea Chénier gemeinsam mit dem Orchestra Sinfonica e Coro di Milano Giuseppe Verdi unter der Leitung von Marco Armiliato und hervorragenden Partnern und Partnerinnen wie Violeta Urmana, Stella Grigorian und Lucio Gallo zu neuen Erfolgen führen wird.

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