Romantische russische Werke aus der Feder von Sergej Prokofiev, Alexander Skrjabin und Sergej Rachmaninov sowie György Ligetis dritte Etüde für Klavier aus dem späten 20. Jahrhundert hatte Yuja Wang im Gepäck, als sie am 1. Juni 2018 im Rahmen ihrer großen Nordamerika- und Europatournee im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie mit einem Rezital zu Gast war. Energiegeladen und expressiv, so zeigte sich die junge Pianistin mit der durchweg vielschichtigen Musik ganz in ihrem Element. Mit dem Live-Album “The Berlin Recital” hat die Deutsche Grammophon die Atmosphäre des Konzertabends eingefangen und transportiert die Brillanz dieser klanglichen Sternstunde von der Berliner Philharmonie direkt nach Hause.
Im Prélude in g-Moll op. 235 und der c-Moll Etüde op. 391 von Sergej Rachmaninow, Alexander Skrjabins letzter Klaviersonate Nr. 10 und Sergej Prokofjews Sonate Nr. 8, die während des Zweiten Weltkriegs entstanden ist, entwickelt Yuja Wang mit beeindruckender Feinfühligkeit auf der einen und Wucht auf der anderen Seite Gefühlswelten, die von Wehmut und Besinnlichkeit bis hin zu ekstatischem Überschwang reichen und entfaltet die ganze Bandbreite des klanglichen Spektrums, das sich den Tasten entlocken lässt. Mit satter dunkler Klangschönheit spinnt die Pianistin dichte Fäden in Prokofievs kraftvoller Musik, mit jazzig anmutender Leichtfüßigkeit lässt sie Rachmaninovs Kompositionen in ihrer ganzen romantischen Strahlkraft leuchten und legt die komplexen Strukturen von Skrjabins musikalischer Handschrift offen. Aus Ligetis dritter Etüde für Klavier kann man den großen Einfluss heraushören, den der österreichisch-ungarische Komponist stilistisch auf die Entwicklung der Neuen Musik im 20. Jahrhundert hatte.
Verführerisch ehrlich und ungekünstelt sind die Emotionen, die Yuja Wang mit ihren schimmernden Interpretationen aus dem Notentext kitzelt. Aus ihrem Spiel spricht die intensive Auseinandersetzung mit der Musik und ihren Komponisten, denn die Pianistin setzt nicht auf Effekte oder verliert sich in oberflächlicher Sentimentalität, sondern glänzt in jedem Moment mit authentischem Ausdruck. Sei es in Passagen, die mit großer klanglicher Inbrunst die spätromantischen Harmonien förmlich überschäumen lassen, oder in den feinsinnigen leisen Tönen – Yuja Wang widmet sich mit beeindruckendem Fingerspitzengefühl jeder kompositorischen Wendung verleiht ihren Interpretationen unverwechselbare Expressivität.
Die Zugaben, die Yuja Wang in Berlin gespielt hat, sind darüber hinaus auf einer separaten digitalen EP erschienen, die mit Nikolai Kapustins jazziger Toccatina und Earl Wilds Transkription des “Pas de Quatre” aus Tschaikowskys berühmter Ballettmusik “Schwanensee” weitere Facetten von Yuja Wangs berührend unprätentiöser Virtuosität offenbaren.
Zudem kann das Live-Recital in Form eines eVideo Albums bei Apple Music in Farbe nacherlebt werden.