Mit “The American Project”, so der Titel des neuen Albums von Yuja Wang, dringt die chinesische Starpianistin tief in die US-amerikanische Musiktradition ein. Gospelartige Klänge, jazziger Stil, Latin: das Spektrum, das Yuja Wang in ihrer aktuellen Aufnahme präsentiert, ist von einer erstaunlichen Vielfarbigkeit. Das Programm ist unterhaltsam, tiefsinnig, wild und in der leidenschaftlichen Darbietung durch die Pianistin von elektrisierender Wirkung. Mit “The American Project” nimmt Yuja Wang ihr Publikum, das sie für ihre einzigartige Virtuosität, ihre künstlerische Größe und ihre glamouröse Ausstrahlung bewundert, mit in ihre musikalische Biografie.
Darin spielt Philadelphia, die pulsierende Metropole im US-Bundesstaat Pennsylvania, eine zentrale Rolle. Am dortigen Curtis Institute of Music, wo schon Größen wie Samuel Barber oder Leonard Bernstein und aus Yuja Wangs Generation Lang Lang und Hilary Hahn ihren Abschluss machten, studierte die heute in New York lebende Pianistin zu Beginn des Millenniums, und dort lernte sie auch Teddy Abrams kennen.
“Wir waren zusammen in Curtis und ungefähr im selben Alter”, erinnert sich der Komponist. Yuja sei damals bereits mit großen Auftritten durchgestartet, so Abrams, der sich in seiner ebenfalls erfolgreichen musikalischen Laufbahn als Pianist, Klarinettist, Dirigent und Komponist einen Namen machte. Wangs Klavierspiel zog Abrams von Beginn an in Bann und hat ihn nie wieder losgelassen. “Ich halte Yuja für eine der größten Pianistinnen von heute, ja, für eine der größten Pianistinnen aller Zeiten”, urteilt er.
Die bleibende Faszination für ihr Klavierspiel und die Freundschaft mit ihr bewogen ihn dazu, ein Klavierkonzert für sie zu schreiben. Es sollte ein Concerto werden, das der Pianistin auf den Leib geschrieben ist, ein Werk, das ihre besonderen Fähigkeiten würdigt. Zugleich sollte das Stück die amerikanische Musiktradition mit ihren vielen Stilen reflektieren. Beides ist dem Komponisten, wie man jetzt auf Yuja Wangs neuestem Album erleben kann, auf mitreißende Weise gelungen.
Mit der einladenden Big Band-Ouvertüre, den inspirierenden Soli und den relaxten Orchester-Passagen vermag Abrams’ elfteiliges Concerto auf mehreren Ebenen des musikalischen Ausdrucks zu beeindrucken. Bei Yuja Wang fordert Abrams die tänzerische und rhythmische Musikalität der Pianistin heraus. Den wiederkehrenden Swing und die forcierten Dynamiken seines Konzerts nimmt die Pianistin, die offenbar auch musikalisch in den USA Wurzeln geschlagen hat, dankbar an.
Neben Abrams’ Klavierkonzert, das Yuja Wang unter der Begleitung des vom Komponisten selbst dirigierten und wie entfesselt aufspielenden Louisville Orchestra interpretiert, enthält das Album mit “You Come Here Often?” von Michael Tilson Thomas ein weiteres Stück eines amerikanischen Gegenwartskomponisten. Das Werk ist von rockiger Energie geprägt. Thomas schrieb es 2016 für Klavier solo und widmete es Yuja Wang, die es grandios in improvisatorischer Manier eingespielt hat.