Herbert von Karajan war eine Ausnahmegestalt, eine Art Gesamtkunstwerk in personam, die nicht nur die Talente eines herausragenden Dirigenten besaß, sondern darüber hinaus als Promoter für die Sache der Musik im Allgemeinen und der Klassik im Speziellen Ungeheures leistete. Auf seine Initiative hin bekamen Gebäude wie die Berliner Philharmonie und das Salzburger Festspielhaus ihre Gestalt. Er begründete Festivals, hob Institutionen wie die Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker aus der Taufe. Herbert von Karajan war Lehrer und Kritiker, brachte junge Künstler auf der Weg ebenso wie er neue Medien wie die Compact Disc unterstützte. Mit anderen Worten, er war ein Genie, dem der Musikwissenschaftler Richard Osborne mit seiner Biographie “Herbert von Karajan – Leben und Musik” nachspürte. Dieses Grundlagenwerk wiederum ist die Basis von “Karajan – Mensch und Mythos”, einem Hörbild aus musikalischen Beispielen, erzählenden und dialogischen Passagen, die dem Phänomen Karajan möglichst umfassend auf den Grund gehen.
Für Richard Osborne ist die Einschätzung der Person Herbert von Karajan im historischen Gefüge der Ära des Kalten Krieges, der Kernepoche seines Schaffens, eindeutig: "Dieses politisch so schwierige Zeitalter war künstlerisch jedoch außerordentlich fruchtbar. Als junger Mann erlebte Karajan die Gründung der Salzburger Festspiele. Aus den Federn zahlreicher bedeutender Komponisten floss eine Fülle neuer Musik. Große Sängerinnen und Instrumentalisten waren zu hören, und das relativ junge Phänomen der ‘großen Dirigenten’ machte Schlagzeilen. Mehr noch: Mit den technischen Möglichkeiten der Plattenaufnahme und deren Distribution wurde es möglich, ein Musikpublikum bislang ungeahnten Ausmaßes zu erreichen.
Karajan stand an der Spitze dieser Revolution. Er spielte über tausend Ton- und Filmaufnahme ein, in einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren, einer Zahl, die wohl von keinem klassischen Künstler mehr zu übertreffen sein wird. 1950 kamen die ersten Langspielplatten auf den Markt. ‘Wir waren davon wie berauscht’, sagte er. “Es war die zweite – die große Grammophon-Epoche'. Die dritte setzte mit dem Aufkommen der digitalen Compact Disc ein, einem Tonträger, für dessen Vermarktung sich Karajan bei seinem langjährigen Freund und Sony-Gründer Akio Morita stark machte”.
Osbornes Blick ist nicht nur ein analytischer, sondern auch ein persönlicher. Er umkreist die Psyche des großen Mannes, charakterisiert ihn auf öffentlicher Ebene neben seiner Kunst als grandiosen Jongleur der kulturellen Mechanismen, der sich im privaten allerdings gerne zurückzog, der “Mann der Berge”, wie sein Produzent Michael Glotz einmal meinte, der Jet-Setter im eigentlichen Wortsinne aber auch einer, der seine Flugzeuge am liebsten selbst steuerte. Aus zahlreichen akribisch recherchierten Hintergründen und umfangreichen Recherchen, Interviews und Analysen entstand Osbornes Karajan-Biographie, die er wiederum aus Anlass des 100. Geburtstags des Maestros auch zu einer Audiobook-Version umarbeitete.
Joachim Król konnte als Erzähler, Stefan Kaminski als Herbert von Karajan und Frank Arnold für die übrigen Zitate gewonnen werden, die die sieben Kapitel “Luftkrieg”, “Ein Anführer von suggestiver Kraft”, “Der Hypnotiseur”, “Lache, Bajazzo!”, “Mann der Berge”, “Tonaufnahme” und “Liebe und Tod” sprechen. Kombiniert werden diese Passagen mit zahlreichen berühmten Einspielungen von Holst und Bruckner bis Offenbach und Strauss, so dass sich ein fesselndes Zeitbild ergibt, das sowohl das Genie Karajan wie auch die besonderen Voraussetzungen und Reize einer Epoche in einem vielschichtigen, spannenden und zugleich unterhaltsamen Kulturpanoptikum einfängt.