Mit seinem letzten Album “Debussy – Rameau”, das zu Beginn des vergangenen Jahres veröffentlicht wurde, hat es Víkingur Ólafsson umgehend an die Spitze der US-amerikanischen und britischen Klassik-Charts und hoch in die deutschen Pop-Charts geschafft. Nun erscheint mit dem sowohl digitalen als auch physischen Album “Reflections” der krönende Abschluss des neuesten Projekts des erfolgreichen Künstlers, in dem er sich mit dem musikalischen Erbe Debussys und Rameaus auseinandersetzt und es in einen spannenden zeitgenössischen Kontext stellt. Neben Reworks von Ólafsson und anderen zeitgenössischen Künstlern umfasst es zudem einige unveröffentlichte Debussy-Aufnahmen des isländischen Pianisten. Ab 12. März sind das Album sowie die vierte EP als Teil davon erhältlich.
Im Zentrum der vierten EP, die neben dem Gesamtalbum als einzelne Veröffentlichung erscheint, steht mit “Pour le piano” eines der ersten Werke der Reifephase Claude Debussys. Pianistisch fordernd und reich an atmosphärischen Wendungen, löst sich Debussy in diesem Werk vom spätromantischen Stil und Salonstil seiner frühen Werke und arbeitet stattdessen konsequent mit neuen harmonischen Mitteln, wobei er die drei Sätze der Suite ursprünglich nicht zusammenhängend komponiert hat.
Zu Beginn erklingt das “Prélude”, ein motorisch verspieltes Werk, in dem Debussy auf barocke Formen zurückgreift und mit Glissando-Figuren arbeitet. Überschrieben mit “Ziemlich lebhaft und sehr rhythmisch”, ist dies die bewegte Eröffnung des farbenreichen Zyklus. Mit der “Sarabande” folgt als zweites Stück ein langsamer, gravitätisch daherkommender Tanz im Dreiertakt. Debussy selbst sagte, dieses Stück solle wirken wie ein “altes Portrait im Louvre” und entsprechend würdevoll und schwergewichtig erklingt der barocke Schreittanz in cis-Moll. Als brillant virtuoses Stück mit durchlaufenden Sechzehntelfiguren und bestechender Klarheit und Präzision in der Ausgestaltung, schließt die “Toccata” den Zyklus energetisch ab.
Víkingur Ólafsson ergänzt diese drei Originalwerke Debussys durch das Stück “Drowned Haiku”, ein sich mystisch und intensiv entfaltendes Rework, arrangiert von Clark, das verschiedene Motive Debussys aufgreift und sie in einen dichten Klangstrom einbettet, der pulsierend noch vorne drängt und schließlich im Nichts verschwindet.
Víkingur Ólafsson ist nicht nur ein exzellenter Pianist, sondern auch ein Künstler, dessen Inspirationskraft, Neugierde und Offenheit für sich stehen. Mit seinen originellen Konzeptalben und spannenden neuen Perspektiven auf scheinbar bekanntes Repertoire hat sich Ólafsson längst als einer der interessantesten und vielseitigsten Pianisten der Gegenwart gezeigt, der immer wieder intensiv mit anderen zeitgenössischen Künstlern zusammenarbeitet. Auch das Projekt “Reflections”, bestehend aus vier einzelnen EPs und einem abschließenden Gesamtalbum, das nun erscheint, spiegelt den Geist und die Spielfreude des Interpreten eindrucksvoll wieder. “Ich wollte bestimmte Werke aus neuen Blickwinkeln betrachten, sie umgestalten und andere Komponisten einladen, Elemente dieser großartigen Stücke zu bearbeiten”, so Ólafsson über die Idee hinter “Reflections”. Entstehen sollte dabei ein “schöpferisches Gespräch mit Debussy, Rameau und einigen der fantasievollsten Musiker unserer Zeit”. Dies ist zweifelsohne gelungen. So lassen die verschiedenen Originalwerke und Reworks nicht nur Debussys und Rameaus Schaffen in ganz neuem Licht erscheinen, sondern wird darüber hinaus gleichsam die Zeitebene ausgehebelt und entsteht ein faszinierendes Klangbild von zeitloser Strahlkraft.