Es dauerte lange, bis Béla Bartók als Komponist anerkannt wurde. Sein Renommee gründete zunächst auf seinen Fertigkeiten als Konzertpianist, die er auf zahlreichen Reisen durch Europa unter Beweis gestellt hatte. Vielleicht liegt es auch daran, dass er sich – abgesehen von funktionsbezogenen Werken wie Opern, Tanzsuiten und Balletten – erst sehr spät umfangreichen Orchesterstücke zuwandte. Die wenigen, die er schrieb, hatten allerdings wegweisenden Charakter für die folgenden Musikjahrzehnte.
Und Seiji Ozawa hat sich die zwei zentralen Kompositionen dieses Korpus, das “Konzert für Orchester” und die “Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta”, vorgenommen und widmet sich ihnen meisterhaft im faszinierenden SACD-Surroundformat.
Es war auch ein Prozess der Ablösung von überfrachteten Ausdrucksformen. Béla Bartók (1881–1945) hatte zunächst in Pressburg Komposition und Klavier studiert, dann an der Musikakademie in Budapest seine spieltechnischen Fertigkeiten vervollkommnet. Er machte seine Sache so gut, dass er bereits vier Jahre nach Beendigung des Studiums 1907 ebendort eine Stelle als Professor für Klavier angeboten bekam, die er bis 1934 bekleidete. Erzogen im Geiste der westeuropäischen Musiktradition, war er zunächst von mächtigen Symphonikern wie Brahms, Wagner und Strauss auf der einen und pianistisch von nahen und unmittelbaren Zeitgenossen wie Liszt und Debussy beeinflusst. Seit seiner sinfonischen Dichtung “Kossuth” (1903) begann er aber schrittweise, von den Übervätern der Romantik Abstand zu nehmen und seine eigenen Wege zu gehen. Zentral wurde dabei die Entdeckung der impulsiven Kraft der ungarischen Volksmusik, die ihn zunächst zum Sammler von Melodien und Stimmungen, bald darauf aber auch zum Musikethnologen und behutsamen Erneuerer der Überlieferungen machte. Zusammen mit seinem Freund Zoltán Kodály archivierte er die Weisen aus seiner Heimat und daran anschließend von Länder des Balkans und Vorderasiens. Mehr und mehr fanden sie auch Eingang in seine eigenen Kompositionen, wurden dadurch aufgewertet und dienten darüber hinaus als Inspiration, denn die “Bauernmusik” führte Bartók zu einer vollkommen neuen, expressiven Tonsprache, die im Unterschied zu den Experimentatoren der Neuen Wiener Schule weitaus unmittelbarer mit Emotionen und Farben umzugeben vermochte.
Bartóks Anerkennung als Komponist setzte erst langsam in den 1920er Jahren ein, als einige seiner Werke im Rahmen von wichtigen Festivals wie dem Fest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (“2.Violinsonate”, 1923) aufgeführt wurden. Da Bartók mit seinem Volksmusikprojekt, aber auch mit der pädagogischen Arbeit hinlänglich beschäftigt war, ließ er aufwändige orchestrale Vorhaben auf sich zukommen. Im Jahr 1936 beispielsweise bekam er von Paul Sacher den Auftrag, für dessen Baseler Kammerorchester eine Komposition zu erarbeiten. So entstand die “Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta”, die sich in der Folgezeit als außerordentlich prägend für das moderne Musikverständnis herausstellte. Denn Bartók hatte bewusst mit Kontrasten gearbeitet und jeden der vier Sätze nach unterschiedlichen Gestaltungsprinzipien geformt. Auf die fugale Ordnung (1.Satz) folgte die Dialektik der Sonatenform (2.Satz), auf die liedhafte Impression (3.Satz) die tanzhafte Unbeschwertheit (4.Satz). Erst im amerikanischen Exil schließlich entwickelte er 1943 sein “Konzert für Orchester”, basierend auf Melodien etwa der rumänischen Volksmusik, aber komplex auf das mächtige Kollektiv-Instrument zugeschnitten. Der japanische Meisterdirigent Seiji Ozawa nahm sich daher genau dieser beiden Grundlagenwerke Bartóks an, um die Vielfalt der musikalischen Farben zu demonstrieren, die er einem hervorragenden Ensemble wie dem Saito Kinen Orchestra zu entlocken vermag. Faszinierend bei der Wiedergabe ist dabei die Aufnahme im mehrkanaligen Surround-Format der SACD (wahlweise auch im gewohnten Stereo abzuspielen), die jede Instrumentenposition im Raum detailliert erfahrbar abbildet. So werden die beiden im Mai und September 2004 entstandenen Interpretationen zu einem Ohrenschmaus besonderer Güte, der Bartóks Klangideal der dynamisch fein austarierten Transparenz in faszinierendem Maße gerecht wird.