Gustavo Dudamel ist vermutlich das berühmteste Beispiel für die erfolgreiche Musikvermittlung in Venezuela. Der junge Dirigent mit dem dunklen Lockenschopf ist selbst durch “El Sistema”, das Jugendförderprogramm seines Heimatlandes gegangen – mittlerweile steht er vor den besten Orchestern der Welt. “Viele Jungen in meiner Klasse kamen mit Drogen und Verbrechen in Berührung,” erinnert er sich an seine Kindheit. “Diejenigen, die Musik gemacht haben, aber nicht.”
Kindern durch die Macht der Musik eine neue Perspektive zu geben, war vor 40 Jahren die Vision von José Antonio Abreu, einem venezolanischen Tausendsassa, der als Komponist, Politiker und Erzieher das Programm “El Sistema” zu dem gemacht hat, was es heute ist. Er legte auch den Grundstein für das erfolgreiche nationale Jugendsinfonieorchester Venezuelas, die Sinfónica de la Juventud Venezolana Simón Bolívar, die heute unter der Leitung von Gustavo Dudamel um die ganze Welt reist.
Es scheint heute im Rückblick fast unglaublich, wie die Geschichte von “El sistema” begonnen hat – in einer Garage, mit nur elf Kindern. José Antonio Abreu betrieb dort idealistische Musikvermittlung im kleinsten Kreis, doch jeden Tag kamen mehr neugierige junge Menschen dazu und schon bald wurde “El Sistema” staatlich unterstützt und organisiert. Kern des Projektes sind heute die “núcleos”, die Musikschulen. An sechs Tagen der Woche können Kinder ab einem Alter von zwei Jahren kostenlos Musikinstrumente und Musikstunden nutzen und Gesangs- und Tanzunterricht bekommen. So wurde “El Sistema” zu einem sozialen Projekt, das Kindern bis heute Hoffnung und Motivation gibt und zugleich überragende musikalische Leistungen hervorbringt.
Das neue Album “El sistema 40 – A Celebration” spiegelt wunderbar die musikalische Vielfältigkeit wieder, die sich über die Jahre entwickelt hat. Von Beethoven und Dvořák über Bernstein bis zu südamerikanischer Musik präsentieren die jungen Musiker einen übersprudelnden musikalischen Erzählwillen und eine große Begeisterung für die Sache. Das Repertoire ist perfekt auf den Geist des Orchesters abgestimmt: verschiedene Besetzungen und flotte Tempi. Der schwungvolle Finalsatz aus Antonín Dvořáks “amerikanischem” Streichquartett in F-Dur op. 96, das tänzerische Scherzo aus Ludwig van Beethovens “Eroica”, der unverwüstliche Mambo aus Leonard Bernsteins West Side Story und der Walzer aus Peter Iljitsch Tschaikowskys 5. Sinfonie. Garniert mit südamerikanischen Kompositionen von Alberto Evaristo Ginastera, Arturo Márquez und Silvestre Revueltas wird das Album zum stimmigen Soundtrack des venezolanischen Musikmärchens von “El Sistema”.
“Es ist auch ein geistlicher Kampf für das Wahre, Schöne, Gute – gegen Not und wirtschaftliche Gier”, hat José Antonio Abreu einst die Worte von Mutter Theresa zitiert. Der musikalische Visionär wurde zurecht mit Preisen wie dem Special Ambassador Status der UNESCO, dem Polar Music Preis und dem Erasmus Preis ausgezeichnet. Doch das schönste Geschenk zum 40. Geburtstag seiner musikalischen Herzensangelegenheit ist dieses neue Album. Auf dem ist das versammelt, worum es geht: die Musik, die El Sistema so lebendig macht. Happy Birthday!