Es gibt musikalische Paare, die beinahe blind harmonieren. Sie brauchen sich nicht abzusprechen. Zwischen ihnen gibt es andere Kanäle der Kommunikation.
Ihr wichtigstes Verständigungsmittel ist die Musik. In diesem Medium stellen sie eine Verbindung her, und da sie stets wissen, was der andere tut, wie er reagiert und wie er sich ausdrückt, schwingen sie sich nach und nach ein. Als Zuhörer bekommt man das Gefühl einer gewissen Magie. Es ist, als ob die unwahrscheinliche Balance durch einen Zauber entsteht. Wie ist es sonst möglich, dass zwei musizierende Menschen sich so geschickt einpendeln?
Übung allein erklärt das nicht. Das Können der einzelnen Musiker bietet auch keinen hinreichenden Grund. Es bleibt ein unerklärlicher Rest, und das macht auch die Begegnung von Martha Argerich und Daniel Barenboim zu einem wahren Faszinosum. Die beiden Klaviergenies strahlen eine Kommunikationsfreude aus, die schier hinreißend ist. Wenn man sie spielen hört, dann spürt man sofort, dass sie sich ergänzen und in der Musik zueinanderfinden.
Im Sommer 2015 kamen diese beiden Ausnahmegestalten der Klavierkunst, deren Temperamente durchaus verschieden sind, zu einem denkwürdigen Konzertabend im Teatro Colón von Buenos Aires zusammen. In ihrer Geburtsstadt spielten sie Klavierduos von Robert Schumann, Claude Debussy und Béla Bartók. Der Auftritt fand im Rahmen von Barenboims selbst initiiertem “Festival de Música y Reflexión” statt, und der bislang nur digital erhältliche Live-Mitschnitt sorgte beim Klassikpublikum mächtig für Furore.
Jetzt erscheint die bereits sehnsüchtig erwartete physische Ausgabe des Albums, das ohne jede Übertreibung Zeug zum Klassiker hat und gar nicht hoch genug gelobt werden kann. “Martha Argerich & Daniel Barenboim – Live from Buenos Aires” ist nicht nur ein berührendes Zeugnis für eine überaus fruchtbare künstlerische Freundschaft. Es rückt auch ein Genre ins Zentrum der Aufmerksamkeit, das im Konzertbetrieb lange Zeit eine Randexistenz fristete und in seinem Bühnen-Potenzial zu wenig Beachtung fand.
Durch Martha Argerich und Daniel Barenboim erfahren wir, wie außerordentlich subtil, poetisch fein ziseliert und ausdrucksstark live dargebotene Klavierduos sein können. Mit Schumanns "Sechs Studien in kanonischer Form (op. 56)", von Claude Debussy für zwei Klaviere arrangiert, träumen sich Argerich und Barenboim in eine ebenso naive wie sehnsüchtige Stimmung hinein. Mit sicherem Instinkt folgen sie ihrem Gefühl und ziehen den Zuhörer in eine überwältigend schöne Klangwelt.
Debussys impressionistische Suite “En blanc et noir” erweitert die träumerische Atmosphäre mit moderner anmutenden, fließenden Harmonien. In Bartóks "Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug" zeigen sich Argerich und Barenboim schließlich von ihrer impulsiven Seite. Unter der Begleitung der beiden Perkussionisten Pedro Manuel Torrejón González und Lev Loftus entfachen sie ein regelrechtes Klangfeuerwerk. Das i-Tüpfelchen der Ausgabe ist der fantastische Booklet-Essay von Cecilia Scalisi, die in ergreifenden Worten die gemeinsame Herkunft und musikalische Verbindung von Martha Argerich und Daniel Barenboim beschreibt.