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Carlos Kleiber
Carlos Kleiber

Sternstunden

18.02.2005

Das Schöne an einem guten Schall-Archiv ist dessen anhaltendene Qualität über Jahrzehnte hinweg. So kann die Reihe Originals, die selbst inzwischen zu den erfolgreichsten Serien ihrer Art gehört, mit jeder neuen Staffel weitere Höhepunkte der Tonträgergeschichte zutage fördern. Und dazu gehört ganz sicher die hochgelobte Tristan-Einspielung, die Carlos Kleiber Anfang der Achtziger für die Deutsche Grammophon verwirklichte. Ebenso wie Sir Charles Mackerras' Version von Purcells Dido And Aeneas, die 1967 in Hamburg entstand.

Carlos Kleiber (1930–2004) gehörte zu der seltenen Spezies von Maestros, bei denen sich Genie mit mangelndem Selbstbewusstsein verband. Als Sohn des Dirigenten Erich Kleiber hatte er sich bereits gegen den eher misstrauischen Vater durchsetzen müssen, obwohl er der wahrscheinlich begabtere der beiden gewesen war. Seine Karriere hatte ihn über verschiedene Provinztheater nach Düsseldorf, Zürich, Stuttgart und von 1968 ab nach München geführt, wo er sich für längere Zeit heimisch fühlte. Der Ruf als akribischer und inspirierter Detailarbeiter mit dem besonderen Gespür für die Metaebene der Interpretation ließ ihn zu einem gern gesehenen Gast an den großen Bühnen Europas werden und so wurde er 1976 auch nach Bayreuth eingeladen, um dort seine Idee des “Tristan” umzusetzen. Die Dirigate gerieten nicht nur zur Sensation, sondern gehören heute noch zum Besten, was im Laufe der Jahre am Grünen Hügel zu erleben war.

 

Svjatoslav Richter zum Beispiel, selbst eine der unangefochteten Persönlichkeiten der klassischen Musik, notierte damals nach einer der Aufführungen, die er gesehen hatte, in sein Tagebuch: “Ich fürchte, in meinem Leben werde ich nie wieder so einen Tristan hören. Dieser war schlicht ultimativ. Carlos Kleiber hat die Musik an ihren Siedepunkt gebracht und den ganzen Abend nicht abkühlen lassen”. Die Aufführungen waren grandios, aber sie waren auch das Resultat unermüdlicher und strenger Proben. Aus diesem Grund war es möglich, das Experiment Tristan und Isolde wenige Jahre später mit anderem Ensemble für die Mikrofone der Deutschen Grammophon zu wiederholen. Diesmal hatte Kleiber als Solisten die wunderbar juvenile Margaret Price als Isolde, den ebenfalls leichten, aber nicht flüchtigen René Kollo als Tristan, Brigitte Fassbaender als Brangäne und Dietrich Fischer-Dieskau als Kurwenal zur Verfügung.

 

Außerdem unterstützte ihn der Rundfunkchor Leipzig und die Staatskapelle Dresden, so dass auf ein Neues ein musikalisches Wunderwerk entstand, von dem etwa das Hermes Opernlexikon meinte: “Carlos Kleiber enthemmt alle Leidenschaften, alle Ekstasen und Stürme, alle Verzweiflung und Trauer, indem er Wagner beim Wort nimmt: Es ist der aufregendste, hitzigste Tristan, der sich nur denken lässt, besetzt mit einem leichten, an Mozart geschulten Sopran, einem schlanken Tenor und auch rundum erstklassig. Ein Ereignis”.

Weitaus umstrittener war da schon Sir Charles Mackerras' Einspielung von Henry Purcells Oper Dido And Aeneas. Das hatte mehrere Gründe. Zum einen war die Vorlage unvollständig, vor allem die Schluss-Szene des zweiten Aktes, als Aeneas sich von den Verzauberungen der Hexen hat beeindrucken lassen und seine Geliebte Dido zugunsten seines Auftrages, Troja neu zu gründen, verlassen will. Mackerras behalf sich mit Ausschnitten aus anderen Werken Purcells, die er möglichst schlüssig mit dem vorliegenden Libretto verband. Darüber hinaus fanden einige Kritiker die Rolle der Dido nicht passend genug besetzt, wobei der Maestro allerdings als Chefdirigent der Hamburgischen Staatsoper deren damaligen aufsteigenden Star Tatiana Troyanos bewusst mit der Rolle betraut hatte, die zum einen ihr die Chance gab, sich zu bewähren, zum anderen durch die junge Stimme der 28jährigen Sängerin tatsächlich wie eine junge Königin erschien, in die sich ein griechischer Held verlieben konnte.

 

Spätere Kritiker sahen Troyanos daher auch weitaus positiver und lobten vor allem die Leichtigkeit und Transparenz des strahlenden Soprans. Für die Ausgabe der Originals-Reihe wurde Dido And Aeneas außerdem mit einem zweiten, selten gespielten Werk von Purcell kombiniert, der Ode On St. Cecilia’s Day. Sie wurde zwei Jahre nach der Oper 1969 in London aufgenommen und trug Mackerras Vorliebe für möglichst authentische Besetzungen Rechnung. Bereits kurz nach ihrem Erscheinen bekam sie reichlich Lob zugesprochen, etwa vom Rezensenten der Musical Times, der da schrieb: “Eine in jeder Hinsicht bewundernswerte Aufführung, in der die sorgfältige Behandlung stilistischer Details ganz im Dienst der Musik steht”. Ähnlicher Meinung waren auch die Kritiker der hiesigen Presse, die ihr den Deutschen Schallplattenpreis 1970 verliehen.

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