Mit dem Namen Peter Schreier verbindet sich die Erinnerung an einen wahrlich einzigartigen Tenorklang, der sich bis ins Alter kaum verändert hat. Hört man seine Aufnahmen mit den Bach’schen Passionen – er war d e r Evangelist – und Kantaten, die Lieder Mozarts, Schuberts und Schumanns – man könnte meinen, sie seien für ihn komponiert. All die zahllosen Opernrollen, mit denen Schreier bei Aufnahmen mit den Staatskapellen Dresden und Berlin unter Leitung Otmar Suitners oder mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig unter Herbert Kegel zu erleben war, ganz zu schweigen von den vielen Volksliedern – nicht nur in seiner auserlesenen Stimmkultur, auch in seiner Vielseitigkeit war Peter Schreier maßstabsetzend für Generationen von Sängern nach ihm.
Am 29. Juli 2022 wäre Schreier 87 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass hat Deutsche Grammophon an eben diesem Tag ein nur digital erhältliches e-Album mit den frühen Aufnahmen dieses außergewöhnlichen Künstlers veröffentlicht.
Peter Schreier war gerade acht Jahre alt, als 1943 die Vorbereitungen für die Aufnahme in den renommierten Dresdner Kreuzchor begannen, der seinerzeit von Rudolf Mauersberger geleitet wurde. Sie fanden durch den Bombenangriff auf Dresden im Februar 1945 ein unvorhergesehenes Ende. Sämtliche Verbindungen zum Kreuzchor rissen ab – bis im Juni 1945 ein Brief mit dem Absender “Dresdner Kreuzchor” im Kasten lag. Darin wurde der inzwischen Zehnjährige aufgefordert, sich, wenn er noch Interesse hätte, für das Interimsalumnat des Kreuzchores in Dresden-Plauen bei der Chorleitung zu melden…
Schreier startete zunächst als Knabensopran, musste aber nur ein Jahr später wegen einer Stimmbanderkrankung ins Stimmfach “Alt” wechseln, wo schnell zum ersten Altsolisten aufstieg.
Rudolf Mauersberger, der als Komponist und Chorleiter in einer Person das Repertoire des Dresdner Kreuzchores durch eigene Kompositionen und Arrangements vieler Volkslieder bereicherte, war früh überzeugt von Schreiers musikalischem Talent. So schrieb er Solowerke für den jungen Alt und ließ ihn bald auch dirigieren, mal eine Vesper, mal kleine Konzerte. Damit wurde er der erste und wohl wichtigste Förderer des jungen Peter Schreier.
Der machte mit dreizehn seine ersten Aufnahmen mit dem Kreuzchor unter Rudolf Mauersberger. Das nur digital erhältliche Album präsentiert neben diese ersten Aufnahmen von 1949 auch weitere von 1953 und 1957. Und schon damals zeigte sich die enorme Fähigkeit des Jungen, eine große Breite an Repertoire abzudecken: Bach, frühbarocke Chormeisterwerke, Brahms. Ergänzt wird das Tracklisting durch deutsche Volkslieder in der Bearbeitung durch Rudolf Mauersberger und ebenso durch einige von dessen Stücken für den jungen Schreier – verblüffend die Stimmgebung Schreiers in dem Stück “Aus der Jugendzeit” nach Robert Radecke.
Über den großen Einfluss Rudolf Mauersbergers auf den jungen Peter Schreier berichtete dieser später selbst. Unentschieden bei der Ausrichtung seiner Zukunft als Sänger oder als Dirigent hatte Mauersberger damals zu ihm gesagt: “Ihre Begabung liegt auf dem Gebiet des Stimmlichen; werden Sie Sänger!”
Das Album “The Young Peter Schreier” zeigt im Nachhinein, wie richtig dieser Rat gewesen ist und wie gut es war, ihm zu folgen.