In der Operette wird hemmungslos geworben, geflirtet, geschmachtet und geliebt. Kein Wunder also, dass Barry Kosky, der Intendant der Komischen Oper Berlin, feststellt “Operette ist nicht blankpoliert. Sie hat Sex und Erotik.” Wenn es gut läuft, hat die Operette darüber hinaus an weiteren Zutaten auch noch Esprit, Witz, Charme und Ironie im Gepäck. Die perfekte Mischung also, um bestens unterhalten zu werden und in eine faszinierende farbenfrohe Welt einzutauchen. Die Deutsche Grammophon veröffentlicht am 30. Januar mit "Meine Lippen, sie küssen so heiß – Operetta’s Greatest Hits" eine exquisite Sammlung der bekanntesten und schönsten Operettenhits von Franz Lehár, Johann Strauss, Emmerich Kálmán und Kollegen. Künstler wie Anna Netrebko, Renée Fleming und Plácido Domingo sind der beste Beweis dafür, dass die Operette auch im Jahr 2015 noch äußerst lebendig ist und es viele Gründe dafür gibt, sich auf ein musikalisches Rendezvous mit ihr einzulassen.
“Freunde das Leben ist lebenswert!” schmettert der Tenor Piotr Beczala inbrünstig und man möchte ihm sofort zustimmen, wenn man sich der Musik auf den beiden CDs dieser Compilation widmet. Wenn Plácido Domingo “Dein ist mein ganzes Herz” verspricht und Anna Netrebko verrät “Meine Lippen, sie küssen so heiß”, dann springt der Funke sofort über – der Ohrwurmfaktor liegt bei 1000, man lässt unwillkürlich die Fußspitzen wippen und spitzt die eigenen Lippen still zum Kuss. Die Melodien sind ausgefeilt und voller Gefühl, die deutschsprachigen Texte hinreißend rührend oder komisch. Wen das kalt lässt, der hat kein Herz. Manches mag anrührend naiv wirken, manchmal ist die Musik tatsächlich plakativ, zuckersüß und überschwänglich. Doch die Operetten sind allesamt durchdrungen von einer aufrichtigen Sehnsucht nach Liebe und Glück – und diesem Charme kann man sich kaum entziehen – es tut einfach gut.
Der legendäre Tenor Fritz Wunderlich lockt mit “Im Prater blühn wieder die Bäume” den Frühling an – seine Stimmfarbe ist einfach einzigartig, wenn er das “r” rollen lässt bekommt man Gänsehaut. Dazu seufzen die Geigen und die Kontrabasspizzicati brummen gemütlich. Und wenn Barbara Bonney glockenhell “Einer wird kommen” aus Franz Lehárs “Der Zarewitsch” singt, dann wird man ganz still. Das hat wenig von operettenhafter Glückseligkeit, sondern trägt den Ernst einer unglücklichen Opernliebe in sich.
Der Komponist Paul Lincke ist für Berlin, was Johann Strauss für Wien ist und Jacques Offenbach für Paris. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Operette die vollendete Form der musikalischen Unterhaltungskunst und so widmeten sich Komponisten wie Franz von Suppé, Emmerich Kálmán, Franz Lehár, Johann Strauss, Paul Lincke und Paul Abraham in Wien und Berlin über Jahrzehnte hinweg leidenschaftlich dem Genre der Operette. Sie schufen Meisterwerke, die bis heute einen festen Platz in der Musikgeschichte haben und darüber hinaus ein detaillierter Spiegel der Gesellsc haft ihrer Zeit sind. Operetten wie “Die Fledermaus” von Johann Strauss, die “Czardasfürstin” von Emmerich Kálmán oder “Die lustige Witwe” von Franz Lehár sind nicht nur randvoll gefüllt mit herrlichen Melodien, sie erzählen auch komplexe Geschichten aus ganz verschiedenen Kontexten: von Beziehungsverwirrspielen, von Standesdünkel, politischen Querelen und von selbstbewussten Frauen, die sich in der Männerwelt durchsetzen.
In der neuen Edition “Meine Lippen, sie küssen so heiß – Operetten-Hits” werden die Arien und Duette aus mehr als 25 verschiedenen Operetten von den besten Gesangskünstlern und Klangkörpern aller Zeiten interpretiert. Herrlich!