Los Angeles, die Stadt, in der Sergej Rachmaninoff (1873–1943) die letzten Monate seines Lebens verbrachte, veranstaltete im Februar ein außergewöhnliches Musikfestival. Im Rahmen der diesjährigen 150-Jahr-Feier zu Ehren des Komponisten spielte Yuja Wang zusammen mit dem Los Angeles Philharmonic Orchestra und seinem Musikalischen und Künstlerischen Direktor Gustavo Dudamel an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden alle vier seiner Klavierkonzerte sowie die Rhapsodie über ein Thema von Paganini. Deutsche Grammophon nahm die ausverkauften und von der Kritik gefeierten Aufführungen in der Walt Disney Concert Hall live auf. Rachmaninoff: The Piano Concertos and Paganini Rhapsody erscheint am 1. September 2023 auf 2 CDs, 3 LPs und digital. Das Allegro vivace des Klavierkonzerts Nr. 1 kommt heute, am 23. Juni als e-Single sowie als e-Video heraus. Der gefilmte Zyklus wird außerdem am 24. Juni auf STAGE+ ausgestrahlt, eine Premiere. Im September ist er dann auf LA Phils SOUND/STAGE zu sehen.
Rachmaninoff, selbst ein außergewöhnlicher Pianist, schrieb eine große Zahl ausdrucksstarker Musik für sein Instrument, darunter auch diese fünf Werke für Klavier und Orchester. Schon seit Beginn ihrer Karriere hat Yuja Wang sie in ihrem Repertoire, immer neu interpretiert sie deren kaleidoskopische Fülle, hier nun gemeinsam mit Gustavo Dudamel und dem LA Phil. Mit Dirigent und Orchester verbindet sie eine langjährige künstlerische Zusammenarbeit, die in den Aufführungen offenkundig wird. »Zwischen uns gibt es ein Einvernehmen, als würden wir Kammermusik spielen«, erklärt Dudamel.
Rachmaninoff begann die Arbeit an seinem Ersten Klavierkonzert 1890, noch als Student am Moskauer Konservatorium. Etwa 26 Jahre später überarbeitete er das Werk grundlegend. Es ist diese Fassung aus dem Jahr 1917, mit dem das Album beginnt. »Die ganze jugendliche Frische blieb erhalten, doch es lässt sich jetzt viel einfacher spielen«, schrieb der Komponist damals. Tatsächlich klingt der Solosatz mühelos bei Yuja Wang, sprühend vor Farben und dynamischen Nuancen im ersten und dritten Satz, von inniger Zartheit im zentralen Andante.
Das Zweite Klavierkonzert wurde 1901 uraufgeführt und war umgehend ein Publikumserfolg. Bis heute zählt es zu den beliebtesten Werken des Komponisten. Leidenschaft, Virtuosität und große Melodien zeichnen die Partitur aus, was umso bemerkenswerter ist, da Rachmaninoff sie in einer Zeit der Verzagtheit schrieb, die im Misserfolg seiner Ersten Symphonie ihre Ursache hatte. Das Werk ist derart vertraut, dass jede Interpretation vorgegeben scheint. Anders hier: »Yuja attackierte [die Anfangsakkorde] geradezu und steigerte die Bedeutung jedes einzelnen«, schrieb die Los Angeles Times. »Hört zu, das ist wichtig, schien sie zu sagen … Mit Dudamel, selbst vorwärtstreibend und detailversessen in seiner Begleitung, entschied sie sich für die Dynamik unserer Zeit.«
Dasselbe ist im Dritten Klavierkonzert zu erleben, wenn diese Musiker:innen zu Werke gehen. Das Stück ist bekannt wie sein Vorgänger, auch für seinen technischen Schwierigkeitsgrad, die rhythmische Komplexität und die dramatischen Kulminationen. Rachmaninoff schrieb es 1909 für seine erste Amerikatournee und zeigte dem amerikanischen Publikum, was er als Pianist vermochte. Einige Aufführungen dirigierte er selbst vom Klavier aus. Doch als er das Werk mit dem New York Philharmonic auf die Bühne brachte, übergab er keinem Geringeren als Gustav Mahler die Leitung.
Das Vierte Klavierkonzert komponierte er 1926, in New York, Russland hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen. Es war beeinflusst von den Trends der Zeit, wurde dennoch zunächst nicht gut aufgenommen. Der Komponist überarbeitete es, zog es zurück und veröffentlichte es erst 1941 erneut. Gershwin, Jazz und Blues klingen an, der Stil ist schlanker und fokussierter und das Orchester von größerer Bedeutung, was das LA Phil zu goutieren weiß.
Das letzte Werk des Komponisten für Klavier und Orchester, die Rhapsodie über ein Thema von Paganini, entstand 1934 – auf halber Strecke zwischen der ersten und der letzten Fassung des Klavierkonzerts Nr. 4. Rachmaninoff griff die Schlussnummer von Paganinis 24 Capricen für Solovioline auf und verwandelte sie auf unendlich einfallsreiche Weise. In Yuja Wang findet er eine kongeniale Interpretin, die ihrerseits von Gustavo Dudamel und dem Los Angeles Philharmonic auf Musik voll Wucht und Brillanz getragen wird.
Yuja Wang spielt die Paganini-Rhapsodie mit dem Orchestre Philharmonique de Luxembourg und Gustavo Gimeno in diesem Sommer in Luxemburg, Wiesbaden (Rheingau Musik Festival), Amsterdam und Granada (1.−3. und 6. Juli). Beim Verbier Festival spielt sie am 14. Juli das Dritte Klavierkonzert und am 19. Juli die Cellosonate und das Trio élégiaque Nr. 1. Die Variation 24 der Rhapsodie erscheint als Single am 4. August, dem Tag von Yuja Wangs Aufführung des Werks bei den BBC Proms. Weitere Singles folgen am 18. August sowie am 1. September, zeitgleich mit Erscheinen des Albums.